In der Musikwissenschaft wird Stop-Time so beschrieben: Im Stepptanz, Jazz und Blues ist stop-time ein Begleitmuster, das die normale Zeit unterbricht oder anhält und regelmäßig akzentuierte Angriffe auf den ersten Schlag jedes oder jedes anderen Taktes aufweist, abwechselnd mit Stille oder Instrumentalsoli. (https://en.wikipedia.org/wiki/Stop-time)
Puh! Wer versteht das, ohne es zu hören? Hier ist ein Beispiel für den Archetyp eines Stop-Time Blues zu hören: Hoochie Coochie Man
Buddy Guy & Eric Clapton – 15 – Hoochie Coochie Man – Live 2007
Der Groove gehörte in den 50er und 60er Jahren mit Variationen in das Standard-Repertoire der R&B Bands. Der Klassiker „Hoochie Coochie Man“ wurde von Willie Dixon komponiert und aufgenommen von Muddy Waters 1954 bei Chess Records.
Es geht aber auch mit mehr Tempo, ohne dass die Spannung verloren geht. Bo Diddley reduzierte das Muster auf eine Hookline ohne weitere Songelemente. „I’m Bad“ erschien erstmals 1955 als Single des Chess Records Labels „Checker“ in Chicago. Den Song kannst Du auf YouTube hier anhören.
Das „Stop-Time-Gefühl“
Sparsam instrumentiert „funktioniert“ der Groove durch ein ständig wiederholtes Gitarren-Riff, auf dessen „Stop“ kein „Go“ der Gitarre folgt. Vielmehr werden die Pausen durch Sprechgesang gefüllt. Das erzeugt eine hypnotische Wirkung.
Ein einfaches Riff in „stop-time“ gespielt
Vorschlag zur Spielweise am Schlagzeug
Die Noten zeigen den Percussion-Part (Drums und Maracas) von „I’m Bad“. Die Maracas sind mit „X-Unterstrichen“ notiert. „I’m Bad“ von Bo Diddley basiert gegenüber anderen Blueskompositionen stringent auf der unten gezeigten markanten Figur (siehe Noten). Es gibt keine „Auflösung“ der mit dem Groove erzeugten Spannung in einem weiteren Teil der Komposition.
Eine etwas bewegtere Variante ist es den Groove als Double-Hand-Shuffle auf der Snare und der Hi-Hat gleichzeitig zu trommeln. Auf der „Vier“ erfolgt dann eine Achtel-Triole die im folgenden Audio-Beispiel R L R gespielt wurde. Etwas agressiver klingt es, wenn die Triole mit nur einer Hand gespielt wird.
Ein Beispiel für einen „stop-time Shuffle“
Die durchgehende Abfolge von Shuffle-Achteln und ausgespielten Triolen kann wie folgt zum Einüben gezählt werden: „1-Und, 2-Und, 3-Und, Tri-Oh-La“
Und hier die Band zusammen im „stop-time-feel“ mit ein wenig Probenraumatmosphäre 🙂
Die Drummer von Bo Diddley – „I’m Bad“
Frank Kirkland (oder Clifton James?) (Drums) und Jerome Green (Maracas) waren Session Musiker bei Chess Records in den 50er Jahren. Beide Musiker wurden an diversen Bo Diddley Produktionen beteiligt. Green, ursprünglich ein Tuba Spieler und Jazz Musiker, hatte mit seinem Maracas-Spiel einen großen Einfluss auf den Bo-Diddley-Sound. Kirkland (oder Clifton James?) kann für sich in Anspruch nehmen, die auch noch heute in modernen Popproduktionen zu hörende Schlagfolge des „Bo Diddley Grooves„ des Songs „Bo Diddley“ erfunden zu haben.
Christian W. Eggers – 19. März 2023 – christian@stompology.org (Letzte Aktualisierung dieses Artikels am 26. März 2023)
Mit „Crazy Man, Crazy“ hatte Bill Haley 1953 seinen musikalischen und kommerziellen Durchbruch. Haley war zuvor Country Musiker und er suchte gezielt nach einer Synthese aus den Musikstilen Country, Western Swing und R&B. Nach anfänglichen Misserfolgen sollte die neuartig klingende Verbindung der Stile Geschichte machen. Sie bestand aus der Country Musik Instrumentation, dem bisher bekannten New Orleans R&B und dem Jump Blues der Großstädte. Der Begriff „Rock’n’Roll“ für diese Synthese hat sich wenige Jahre später etabliert. Die heutige Bezeichnung für diesen von Bill Haley hartnäckig und angeblich gegen Vorbehalte der „weißen“ Plattenfirmen erarbeiteten R&B im Country Sound ist „Rockabilly“.
„Crazy Man, Crazy“, geschrieben von Bill Haley und seinem Bass-Spieler Marshall Lytle, ist eine der ersten Veröffentlichungen mit der neuartigen Spielweise. Ein eigenständiges und prägendes Merkmal dieser neuen Stilistik war der exzessive Gebrauch der Slap-Technik am Kontrabass, die den behäbigen „Walking Bass“ des Jump Blues ablöste. Dabei wurde im Wechsel aus Zupfen und Schlagen ein perkussiver Shuffle Groove erzeugt. Der im April 1953 von „Essex Records“ veröffentlichte zweieinhalb Minuten lange Song vermittelt durch das lebendige Spiel von Schlagzeuger Billy Gussak Übermut und Lebensfreude.
Der Groove
Der nachstehend gezeigte Groove (Basis „Rim of Snare“ in der ersten Notenzeile der Abbildung) mit der Refrainzeile „Crazy Man, Crazy“ setzt ab dem neunten Takt ein. Es handelt sich um einen in zwei Takte unterteilten Shuffle, der synchron zum Slap-Kontrabass die Achtel auf dem Spannreifen (Rim) der Snare „Hand to Hand“ klickern lässt.
Im zweiten Takt des Basis-Grooves erfolgt auf der „Drei-Und“ statt des Rim-Schlages ein Snare-Schlag. In der Bridge, im Instrumentalsolo Chorus und im Outro (Fadeout) wechselt der Groove in den traditionellen Swing-Ride auf dem Becken und der „Zwei“ und „Vier“ (konstanter Backbeat) auf der Snare.
Der antreibende Snare-Akzent auf der „Drei-Und“ ist durch seinen Klang (es ist ein deutliches Echo zu hören) und die kräftige Spielweise für die damalige Zeit ungewohnt dominant. Darüber hinaus variiert Gussak mit Witz in diesem Groove das New Orleans Shuffle Gefühl im Spiel auf dem Spannreifen mit einem lockeren und leisen Wechsel einzelner Schläge auf dem Snare-Fell. Es entsteht der Eindruck, als kommuniziere das Schlagzeug spontan und assoziativ mit einzelnen Textzeilen des Gesanges.
Besonderheiten
Das Intro
Ein kurzes Schlagzeugsolo als Intro, bestehend aus Achteltriolen in einer Einzelschlag- und Pressroll-Kombination auf der Snare sorgt für einen mitreißenden Einstieg in den Song. Ursprünglich hervorgegangen aus der Militärmusik, dem sogenannten Lockmarsch (der „Locke“) wurde diese Technik im frühen New Orleans Jazz dem „triolischen Feel“ angepasst und später von Buddy Rich und Gene Krupa mit den raffiniertesten Akzentverschiebungen zu einem der spektakulären Markenzeichen des hochentwickelten Bigband Drumming der 30er und 40er Jahre (siehe Notenzeile drei und vier in der Abbildung).
„Stick on Stick“ Einwurf
Im Übergang des zweiten Hookline Chorus zum ersten Strophen-Durchgang (16. Takt) folgt ein eintaktiger markanter Einwurf. Dabei wird der Shuffle Groove (bis auf den sehr leisen Press-Schlag auf der „Zwei-Und“ sowie der pausierenden „Vier-Und“) unverändert fortgesetzt. Mittels der „Stick on Stick“ Technik auf der Snare springt die Schlagfolge durch ihren Klang scharf aus dem Slap und Rim Sound des Basis Grooves hervor (siehe zweite Notenzeile in der Abbildung).
Der Drummer – Billy Gussak
Billy Gussak war ein vielbeschäftigter Jazz Drummer, der sich überwiegend auf die Studioarbeit konzentrierte. Seine energisch konstanten Backbeats (Hervorhebung der Zählzeiten Zwei und Vier in 4/4-tel Takten) und überlauten Snare Akzente (u.a. in „Rock Around The Clock“) wurden zunächst das Markenzeichen von „Bill Haley and His Comets“ und trugen wesentlich zur Entwicklung des „Rock’n’Roll“ bei. Der durchgespielte Backbeat wurde Standard. Die Aufnahmen Gussaks mit Bill Haley klingen nach über einem halben Jahrhundert immer noch so unverbraucht, als seien sie gerade heute den Studio Sessions entsprungen.
Quellen: Handbuch der populären Musik (Schott), Reclams Jazzlexikon (Reclam), Wikipedia, The Commandments Of Early Rhythm And Blues Drumming, Daniel Glaas, Zoro
Der 1934 von dem Arrangeur, Komponisten, Saxophonisten und Trompeter Edgar Sampson komponierte Instrumental Song „Stompin‘ At The Savoy“ zählt zu den Jazz Standards. Ursprünglich für Chick Webbs Band geschrieben, entstanden im Laufe der Jahre Versionen unterschiedlicher Interpreten. Eine davon wird von Ella Fitzgerald gesungen. „Stomp“ war ein Modetanz und dieser wurde u.a. im New Yorker Savoy Ballroom getanzt, dessen Hausband Webb leitete. Die hier beschriebene Version des Benny Goodman Quartett wurde am 16. Januar 1938 in der Carnegie Hall aufgenommen. Der Song, aufgebaut im „AABA Blues Schema“, legt gegenüber dem Original aus dem Jahre 1934 ein tanzbares medium-fast Tempo vor. Beherrschend ist das rhythmische Zusammenspiel zwischen Vibrafonisten Lionel Hampton und Schlagzeuger Gene Krupa.
Die Notation (nachfolgende Abbildung) unter dem Basisgroove zeigt acht charakteristische Takte des Drumparts des eineinhalb Minuten langen Vibrafon Solos. Die rhythmische Basis bildet ein Two Beat, also der Wechsel der Viertelgrundschläge zwischen Bassdrum und Hi-Hat, und das Besenspiel auf der Snare mit der kreisenden linken Hand bei leicht „angewischten“ Viertelschlägen der rechten Hand. Es ensteht ein „stampfender“ Besen-Beat, den Krupa über den fünfeinhalb Minuten langen Songs in Variationen des Bassdrumspiels, mal im Two Beat und mal im Four Beat, mit Snare Akzenten auf der „Drei-Und“, dem Wechsel zwischen Vierteln und Swing-Achteln auf der Snare sowie mit scharf akzentuierten Fill-ins lebendig hält.
Spielerische Besonderheiten
Die in den Großstädten des Nordens zum Zeitpunkt der Aufnahme als altmodisch geltende Two Beat Spielweise (Bassdrum auf 1 und 3 und Hi-Hat auf 2 und 4) des New Orleans Jazz zeigt hier ihre Möglichkeiten: Im taktweisen Wechsel zwischen Two Beat und Foor Beat (Bassdrum auf allen Vierteln und die Hi-Hat auf 2 und 4), ergänzt mit Achtelschlägen der Bassdrum, entsteht eine allmähliche Steigerung der rhythmischen Intensität.
Die Bassdrum-Offbeats (Schäge, die nicht auf die Viertel fallen; Erklärungen hier) kommen in den „luftigeren“ Two Beat Passagen besonders zur Geltung (siehe Noten Takt 7 bis 10).
Der Drummer – Gene Krupa
Gene Krupa konnte mit seinem Spiel vor allen die Herzen der Menschen erreichen. Bei aller Akrobatik und allen spektakulären Finessen war Krupas Spiel ein musikalischer Tiefgang zu eigen, die seinen klar strukturierten, melodischen Figuren und Klängen Raum und Gewicht gab. Der Fachbuchautor Ulfert Goeman hat Krupas Spiel so beschrieben: „Im Herzen Dixieland-Trommler, in der Realität Swing-Spezialist, mit dem Verstand Bebop-Schlagzeuger“. Kaum einem Schlagzeuger werden mehr bedeutende Innovationen zugesprochen als Gene Krupa. So gilt er als der erste Schlagzeuger, der mit einer Bassdrum (1927) und mit einem Schlagzeugsolo (1937) auf einer Schallplatte zu hören ist.
Quellen: History of Drumsetplaying (Leu-Verlag), All that Jazz (Reclam), Handbuch der populären Musik (Schott), Reclams Jazzlexikon (Reclam), Second Line 100 Years Of New Orleans Drumming, Antoon Aukes.
Cozy Coles Groove in „Topsy 2“ basiert auf der Komposition „Topsy“ aus dem Jahre 1938, geschrieben von Edgar Battle und Eddie Durham für Benny Goodman.
Den melodisch eingängigen und schnellen Instrumentalsong nahm Cozy Cole 1958 zunächst in zwei Versionen als A und B Seiten einer Single auf. Der Titel „Topsy 2“mit dem Schlagzeugsolo wurde ein weltweiter Hit.
Produziert wurde „Topsy“ für das Label „Love Records“ von Alan Hartwell. Hartwell hatte die Idee mit einer eigens zusammen gestellten Band, der „Alan Hartwell Big Band“, legendäre Jazz Musiker mit den technischen Möglichkeiten seiner Zeit aufzunehmen. Mit Cozy Cole entstanden zahlreiche Titel und dabei auch vier veröffentlichte, sich im Arrangement und der Orchestrierung unterscheidende, Versionen von „Topsy“. Die hier beschriebene Version stammt aus dem Album „COZY COLE HITS!“, auf dem die erfolgreiche Single aus dem Jahre 1958 als „Topsy 2 (Original Hit)“ veröffentlicht ist.
„Topsy 2“ kann als der erste Schlagzeug-Hit der Popmusik angesehen werden. Das Konzept übernahm in den 60er Jahren der Schlagzeuger Sandy Nelson („Let There Be Drums“), der ternäre Tom-Tom Grooves erfolgreich mit dem Gitarren Surfsound der amerikanischen Westküste kombinierte.
Der Groove
Die Swing Hi-Hat des ursprünglichen Benny Goodman Hits aus dem Jahre 1938 ersetzte Cole durch eine melodiöse Jungle Groove Figur, die er im Laufe des Songs zu einem längeren Solo ausbaut. Die Basis dafür bilden die vier Takte, die nachstehend abgebildet sind und bereits im Intro von „Topsy 2“ gespielt werden. Auf den Zählzeiten „Zwei“ und „Vier“ ist im Solo, zusätzlich zur getretenen Hi-Hat, ein Schellenkranz zu hören. Charakteristisch für Coles Solokomposition ist die Hervorhebung der Zählzeit „Eins“.
Spielerische Besonderheiten
In der Aufnahme sind neben der leisen Bassdrum (Foor on the flour) vier verschiedene Trommelhöhen und Klänge zu hören: Snare mit abgeschaltetem Teppich, kleines Tom, mittleres Tom sowie tiefes Tom. Die Transkription wurde hier für die Snare und zwei Toms vorgenommen, so dass die Figuren auch auf kleineren Sets spielbar sind und die Groovemelodie dabei erhalten bleibt. Bei den notierten Handsätzen (Sticking) handelt es sich um vermutete Bewegungsabläufe, die unter dem Gesichtspunkt der „kurzen Wege“ so wie notiert vorgeschlagen sind.
Der Drummer – William Randolph „Cozy“ Cole
William Randolph „Cozy“ Cole war nicht nur ein bedeutender Swing-Drummer. Als Bandleader einer eigenen Band beherrschte er zahlreiche Instrumente und er unterrichtete das Schlagzeugspiel ab 1954 in seiner, zusammen mit Gene Krupa gegründeten, Schlagzeugschule „The Krupa And Cole Drum School“ in New York.
Coles Entwicklung begann mit dem frühen, traditionellen Jazz bei „Jelly Roll“ Morton, ging dann über den Big Band Swing bis in den Bebop zu Dizzy Gillespie. Cole entwickelte dabei eine enorme Vielseitigkeit, bei der sein mit Autorität vorgetragener Drive ein Erkennungsmerkmal bildete. Das Internetportal „Drummerworld“ sieht in Cole den Wegbereiter des Rudimental Style. In der Fachliteratur zum Jazz wird häufig das unerschütterlich genaue Timing Cole’s hervorgehoben.
William Randolph „Cozy“ Cole. Bildnachweis: William P. Gottlieb/Ira and Leonore S. Gershwin Fund Collection, Music Division, Library of Congress.
Cole war ein Meister der Komposition von „Jungle Grooves“. Sein oftmals sparsames Beckenspiel der „swingenden Viertel“ inspirierte nachfolgende Generationen von Schlagzeugern und fand so Eingang in den Rock. Eine weitere Besonderheit in Cole’s Spielweise ist die irritierende Betonung der Zählzeiten Eins und Drei über mehrer Takte eines Swing-Grooves. Deutlich zu hören auf der Swing Hi-Hat im Intro des ebenfalls erfolgreichen Songs mit dem Namen „Turvy“.
Quellen: All that Jazz (Reclam), Handbuch der populären Musik (Schott), Reclams Jazzlexikon (Reclam), drummerworld.com
Als der Boogie Woogie Pianist Aaron „Pinetop“ Sparks wenige Monate vor seinem Tode an einem Sommertag 1935 in Chicago einen schlichten Bluessong mit dem Titel „Everyday I Have The Blues“ aufnahm, war wahrscheinlich weder Sparks noch den Inhabern des Plattenlabels Bluebird Records bewusst, dass dieser Titel einmal die Manifestation des Blues selbst werden sollte.
Vielleicht verdankt dieser Song seine Bedeutung dem Text, der mit einem Anflug von fatalistischem Humor mit wenigen Worten die Einsamkeit beschreibt. Sicher trug die eingängige Melodie „Everyday, everyday I have the blues“ dazu bei, dass dieser Song mit zahlreichen Veröffentlichungen berühmter Jazz- und Bluesmusiker zu einem der meistverkauften Bluessong aller Zeiten avancierte. Heute ist er ein Swingstandard, der nur selten im Repertoire einer Big Band fehlt.
„Count Basie Swings, Joe Williams Sings“
Zwanzig Jahre nach Erscheinen der Originalversion leitete der exzentrische Jazz-Liebhaber und Produzent Norman Granz 1955 mit Aaron Sparks Song die Rückkehr des Big Band Swing ein. Unter seinem Label „Clef“ veröffentlichte Granz die Single „Every Day (I Have The Blues)“ des Count Basie Orchestra mit Joe Williams als Sänger. Das Arrangement wurde mit seiner zwanzigwöchigen R&B Chart Platzierung ein Hit. Das war überraschend, weil Basies Version im moderaten Tempo mit der wenig radiokompatiblen Länge von fast fünfeinhalb Minuten, seinen ausschweifenden Intros und den von Ernie Wilkens aufwendig arrangierten Bläsersätzen einen Gegensatz zum gerade modern werdenden Rock’n‘ Roll bildete. Auch entsprach Joe Williams mit seiner warmen Stimme weniger dem Zeitgeist, der den „geradeaus“ Blues Shouter verlangte.
Der große Erfolg der Zusammenarbeit von Count Basie mit Joe Williams setzte sich mit dem Album „Count Basie Swings, Joe Williams Sings“ fort. Es brachte nach finanziellen Engpässen Basie und seine Band zurück in die Öffentlichkeit und es markiert einen Höhepunkt der Schaffensphase, deren Kompositionen und Aufnahmen als „The New Testament“ des Count Basie Orchestra (1952-1984) bezeichnet werden.
Wenn heute Worte der Musikwissenschaft nicht ausreichen das Phänomen Swing verständlich zu machen, wird häufig empfohlen „Every Day“ von Count Basie anzuhören.
Arrangement
Arrangeur Ernie Wilkins unterteilte den Song in einen instrumentalen und einen nachfolgenden von Joe Williams gesungenen Teil.
Count Basies Einleitung am Piano besteht in einer sechs Takte langen Shuffle Figur, die dem Thema des Songs „My Baby Just Cares For Me“ von 1928 gleicht. Nach diesem sparsamen Einstieg setzt auf der „Eins“ die gesamte Band mit Energie zu einem zweiten Intro über vier Takte ein.
Die Takte Drei und Vier dieses Bandintros beinhalten einen energetisch wuchtigen Schlagzeug Fill, welcher in die nachfolgenden zwei 12-taktigen Blues Chorusse mit ihren zahlreichen Bläserakzenten überleitet.
Um die Achterbahnfahrt bis zum Einsatz des Gesangs abzurunden, folgt ein in der Dynamik zurückgenommenes Zwischenspiel über acht Takte. Hier entsteht der Eindruck einer Verlangsamung des Tempos, wobei dieses tatsächlich konstant bleibt (siehe unten „Zwischenspiel“).
Der Groove des Songs basiert auf einem konsequenten Four Beat. In den acht Takten des Zwischenspiels ist davon abweichend ein Two Beat die rhythmische Basis. Der an das Zwischenspiel anknüpfende Gesangsteil baut sich im Verlauf von acht Blues Chorussen durch verschiedene mit einander verwobenen Bläser Riffs und zahlreichen Akzenten dann wieder zu der rhythmischen Intensität des Band-Intros auf. Der Drum Part ist im Gesangsteil auf das Timekeeping beschränkt und endet mit einem über zwei Takte ausgedehntem Outro.
Die nachfolgende Transkription zeigt den Drum-Part einschließlich des Zwischenspiels (siehe unten) bis zum Einsatz des Gesangs.
Das Spiel von Drummer Sonny Payne ist verankert im Arrangement der Bläsersätze mit ihren Akzenten. Dabei ist der Fluss fokussiert auf die moderat voranschreitenden Viertel synchron zum „Walking Bass“ und zur Gitarre. Dieser Groove ist ein Meisterstück des 4/4 Swing, der Feuer und Entschlossenheit mit einer dem Swing typischen Entspanntheit verbindet.
Zwischenspiel
Das acht Takte lange Zwischenspiel, welches zum Einsatz des Gesangs überleitet, charakterisiert die überraschende rhythmische Verwandlung des Four Beat (auf allen vier Pulsschlägen durchgespielte Bassdrum) in einen Two Beat (Bassdrum auf 1 und 3, getretene Hi-Hat auf 2 und 4). Diese Spielweise wird durch zusätzliche Bassdrum-Impulse auf der „Zwei-Und“ und der „Vier-Und“ ergänzt, was an den „Double Drum Style“ der New Orleans Brass Bands erinnert. Wichtig ist auch hier, dass dem Spiel ein triolisches Zeitgefühl zu Grunde liegt und die Achtel der Bassdrum nicht „straight“ interpretiert werden. In der Dynamik bleiben Becken und Snare stark zurückgenommen und an dieser Stelle ist die Bassdrum das lauteste Instrument des Sets.
Spielweise
Das Big Band Drumming ist sowohl technisch wie auch musikalisch eine der größten Herausforderungen, der sich ein Schlagzeuger stellen kann. Anders als in den bisher hier beschriebenen berühmten Grooves, in denen es um das Timekeeping auf der Grundlage einer meist zweitaktigen und leicht zu behaltenden Figur geht, besteht die Aufgabe eines Big Band Drummers darin, die Band durch das Arrangement zu führen.
Der Groove swingt nicht so sehr im „bouncy feel“ aus der Kombination von Triolenachteln, sondern mehr aus der Basis der Viertel, die weich und rund fließen.
Der erste Chorus enthält eine über sieben Takte stringente Offbeat Phrasierung auf der Zählzeit „Zwei-Und“. Dabei klingt das gecrashte Ridebecken auf der Zählzeit „Drei“ aus. Die „Zwei-Und“ begleitet die Akzente der Trompeten und Posaunen Sectionen. Das Ride-Becken sollte nur leicht „angecrasht“ werden und die Schärfe der Phrasierung des Offbeats über den Snare-Schlag erfolgen.
Mehr noch als in den bisher hier gezeigten Spielweisen und Grooves sollte die Bassdrum, abgesehen von Bassdrum Akzenten und dem Zwischenspiel, mehr spürbar als hörbar sein. Eine Gedächnisstütze für das lockere und leise Spiel bietet die Vorstellung, man lasse den Fuß einfach zum Takt mitwippen.
Der Drummer – Sonny Payne
Sonny Payne hatte die Voraussetzungen als einer der bedeutesten Drummer des Jazz in die Musikgeschichte einzugehen und in einem Atemzug mit Gene Krupa und Buddy Rich genannt zu werden. Populär wurde Payne jedoch erst in den 50er Jahren einem kleiner werdenden Kreis der treuen Hörerschaft des Big Band Swing.
Payne galt als der rhythmische Motor von Count Basie, dessen Big Band er durchgehend von 1955 bis 1965 angehörte. Sein Leben lang, bis auf wenige Ausflüge, blieb Sonny Payne dem Big Band Swing treu. Er spielte auf Tourneen von Frank Sinatra und bis in die 70er Jahre in der Big Band von Harry James. In einer 5er Besetzung ist Payne mit der Aufnahme „Clap Hands, Here Comes Charley“ in dem Drummer Sampler „More Drums On Fire“, einer LP von 1959 zu hören.
Paynes Vater, Joe „Chris Columbo“ Morris, einer der Drummer der Louis Jordan Band, gilt als ein Wegbereiter des R&B Drumming. Das Schlagzeugspiel erlernte Payne jedoch bei Vic Berton, einem vielseitigen Jazz-Musiker, Philharmoniker und Entwickler von Hi-Hat Maschinen. Neben seinem tiefgründigen Gespür für den swingenden Puls verfügte Payne über ein Showtalent, das er gelegentlich mit witzigen akrobatischen Einlagen in sein Spiel einbrachte.
Wie sehr Paynes spannungsreiches Spiel dem Dienst der Kompositionen und den Arrangements verschrieben war, ist deutlich in dem Album „Count Basie Swings, Jo Williams Sings“ von 1956 zu hören. Paynes Liebe galt einer Stilrichtung, die in seiner Generation schon altmodisch war. Dennoch war er als Swing Musiker ein moderner Drummer, dessen gefühlvoller Minimalismus zahlreiche Rockschlagzeuger inspirierte.
Quellen: All that Jazz (Reclam), Handbuch der populären Musik (Schott), Reclams Jazzlexikon (Reclam), Every Day I Have The Blues Paritur – Annual Essentially Ellington High School Jazz Band Program (jazz at lincoln center)