In der Musikwissenschaft wird Stop-Time so beschrieben: Im Stepptanz, Jazz und Blues ist stop-time ein Begleitmuster, das die normale Zeit unterbricht oder anhält und regelmäßig akzentuierte Angriffe auf den ersten Schlag jedes oder jedes anderen Taktes aufweist, abwechselnd mit Stille oder Instrumentalsoli. (https://en.wikipedia.org/wiki/Stop-time)
Puh! Wer versteht das, ohne es zu hören? Hier ist ein Beispiel für den Archetyp eines Stop-Time Blues zu hören: Hoochie Coochie Man
Buddy Guy & Eric Clapton – 15 – Hoochie Coochie Man – Live 2007
Der Groove gehörte in den 50er und 60er Jahren mit Variationen in das Standard-Repertoire der R&B Bands. Der Klassiker „Hoochie Coochie Man“ wurde von Willie Dixon komponiert und aufgenommen von Muddy Waters 1954 bei Chess Records.
Es geht aber auch mit mehr Tempo, ohne dass die Spannung verloren geht. Bo Diddley reduzierte das Muster auf eine Hookline ohne weitere Songelemente. „I’m Bad“ erschien erstmals 1955 als Single des Chess Records Labels „Checker“ in Chicago. Den Song kannst Du auf YouTube hier anhören.
Das „Stop-Time-Gefühl“
Sparsam instrumentiert „funktioniert“ der Groove durch ein ständig wiederholtes Gitarren-Riff, auf dessen „Stop“ kein „Go“ der Gitarre folgt. Vielmehr werden die Pausen durch Sprechgesang gefüllt. Das erzeugt eine hypnotische Wirkung.
Ein einfaches Riff in „stop-time“ gespielt
Vorschlag zur Spielweise am Schlagzeug
Die Noten zeigen den Percussion-Part (Drums und Maracas) von „I’m Bad“. Die Maracas sind mit „X-Unterstrichen“ notiert. „I’m Bad“ von Bo Diddley basiert gegenüber anderen Blueskompositionen stringent auf der unten gezeigten markanten Figur (siehe Noten). Es gibt keine „Auflösung“ der mit dem Groove erzeugten Spannung in einem weiteren Teil der Komposition.
Eine etwas bewegtere Variante ist es den Groove als Double-Hand-Shuffle auf der Snare und der Hi-Hat gleichzeitig zu trommeln. Auf der „Vier“ erfolgt dann eine Achtel-Triole die im folgenden Audio-Beispiel R L R gespielt wurde. Etwas agressiver klingt es, wenn die Triole mit nur einer Hand gespielt wird.
Ein Beispiel für einen „stop-time Shuffle“
Die durchgehende Abfolge von Shuffle-Achteln und ausgespielten Triolen kann wie folgt zum Einüben gezählt werden: „1-Und, 2-Und, 3-Und, Tri-Oh-La“
Und hier die Band zusammen im „stop-time-feel“ mit ein wenig Probenraumatmosphäre 🙂
Die Drummer von Bo Diddley – „I’m Bad“
Frank Kirkland (oder Clifton James?) (Drums) und Jerome Green (Maracas) waren Session Musiker bei Chess Records in den 50er Jahren. Beide Musiker wurden an diversen Bo Diddley Produktionen beteiligt. Green, ursprünglich ein Tuba Spieler und Jazz Musiker, hatte mit seinem Maracas-Spiel einen großen Einfluss auf den Bo-Diddley-Sound. Kirkland (oder Clifton James?) kann für sich in Anspruch nehmen, die auch noch heute in modernen Popproduktionen zu hörende Schlagfolge des „Bo Diddley Grooves„ des Songs „Bo Diddley“ erfunden zu haben.
Christian W. Eggers – 19. März 2023 – christian@stompology.org (Letzte Aktualisierung dieses Artikels am 26. März 2023)
In diesem Artikel geht es um die Erfahrungen beim Ausprobieren des Bandsättigungseffektes bei der Aufnahme eines akustischen Drumsets.
Dem Bandsättigungseffekt wird zugeschrieben, dass eine Aufnahme kompakter klingt, ohne dass ihr die „gefühlte“ Dynamik geraubt wird. (1) Daher ist es kein Wunder, dass dieser Effekt besonders in Rockmusik-Produktionen nicht nur digital simuliert wird, sondern auch heute gelegentlich wieder mit „echten“ Bandmaschinen erzeugt wird.
Ist der Effekt eigentlich auch im Home-Studio mit einer Bandmaschine, die nicht gleich den Preis einer Hochseeyacht hat, herzustellen? Hört man tatsächlich einen solchen Tape-Sound im Vergleich zu einer rein digitalen Aufnahme, die ohne Bandsättigungseffkte wiedergegeben wird?
Testbedingungen für den Bandsättigungseffekt
Für den Test wurde eine Bandmaschine MX-55 von Otari genutzt. Das akustische Schlagzeug wurde zunächst digital mit der Software Audacity aufgenommen. Dem Schlagzeug-Intro „Do It Again“ (Beach Boys) wurde ebenfalls digital der markante Delay-Effekt dieses Intros hinzugefügt. Hier kannst du den Song auf YouTube anhören: https://www.youtube.com/watch?v=fmHEX7QI4KU
Zwei dynamische Mikrofone kamen zum Einsatz: eines vor der Bassdrum und eines zwischen Hi-Hat und Snare. Die Aufnahmen wurden nach Hinzufügen des digitalen Delay-Effektes nicht weiter verändert. Es ist nachfolgend lediglich das zu hören, was ohne den Einsatz von Klangregelungen und weiteren Effekten aufgenommen wurde.
Die digitale Rohaufnahme
Hier ist die Original-Aufnahme ohne Delay als Ausgangsmaterial für den Test zu sehen und zu hören. Die Rohdatei des Intros wurde aufgenommen mit einem akustischen Drumset in einem nahezu schalltoten Raum. Das klingt steril, statisch, langweilig und ein wenig nach erster Stunde Schlagzeugunterricht.
Das Ausgangsmaterial gnadenlos digital ohne Raumklang und Effekte
Hinzufügen des Delays
Anschließend wurde der Delay-Effekt des Schlagzeug-Intros Do It Again programiert.
Das Einstellen des Delays für das Intro des Songs „Do It Again“ von den Beach Boys. Das Intro bekommt damit seine individuelle Note und Lebendigkeit
Hier ist der Effekt zu hören. Nicht ganz so schön wie bei den Beach Boys, aber doch wiedererkennbar
Aufnahme mit der Bandmaschine
Die digitale Aufnahme mit dem Delay-Effekt wurde anschließend über ein Interface in ein Mischpult mit neutraler Einstellung der Klangregelung zur Aufnahme an die Bandmaschine geschickt.
Die Bandgeschwindigkeit betrug 38 cm/s. Das Signal wurde dabei deutlich hoch bis kurz vor das dauerhaft rote Aufleuchten der analogen Peak-Anzeige zur Bandmaschine ausgegeben.
Hier ist das vom Tonbandgerät ausgegebene Signal zu hören. Schade, dass dieses im Internet nur digital zu vermitteln ist.
Überspielung mit einem Röhrentonbandgerät
Im letzten Schritt wurde die Aufnahme des Transistorgerätes Otari wiederum mit einem Röhrentonbandgerät aufgenommen. Hierfür stand ein Gerät von 1958 von Grundig mit der Bezeichnung TK 30 zur Verfügung.
Tonbandgerät TK 30 von Grundig aus dem Jahre 1958
Zusätzlich zur Bandsättigung der ersten Aufnahme mit der Otari sollte der Sättigungseffekt des Bandes nochmals durch Wiederholung verstärkt werden und die Röhrenkompression der Schlagzeugaufnahme hinzugefügt sein. Dazu wurde die Aufnahme hoch ausgesteuert mit dem Grundig-Gerät aufgenommen.
Das Mono-Signal aus dem Röhrentonbandgerät hier sichtbar bei der Digitalisierung mit des Software Audacity
Über ein analoges Mischpult wurden dieser letzten Aufnahme vor der Digitalisierung erstmals Tiefen und Höhen über die Klangregelung hinzugefügt.
Fazit
Was ist nun dran an der Bandsättigung? Ich war skeptisch, ob mit dem vorhandenen Studio-Equipement der Bandsättigungseffekt hörbar zu machen ist. Ein wenig schon, meine ich.
Vermutlich geht das alles viel schneller mit einer entsprechenden Software und wohl kaum jemand wird Unterschiede hören. Die Bandaufnahmen klingen ein wenig „schmutzig“. Auch das lässt sich digital sicher leicht simulieren.
Was lässt sich eigentlich nicht simulieren? Im Zuge der Künstlichen Intelligenz wird wahrscheinlich auch die Musikproduktion nochmals einen Sprung in Richtung „Simulation menschlicher Aktivität und Kreativität“ machen.
So aufzunehmen, wie hier gezeigt, macht Spaß. Eine Spielerei, die sich „anfassen“ lässt und deren Ergebnis eben nicht auf Simulation basiert.
In professionellen Produktionen für den Musikmarkt dürfte dieser Luxus an Zeitaufwand für diesen Effekt wohl nur in Ausnahmefällen Platz finden.
Über Kommentare und Zuschriften würde ich mich sehr freuen.
Christian W. Eggers – 11. März 2023 – christian@stompolog.org (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 15. März 2023)
Wie sehr Teamwork einen Groove prägen kann, er nicht allein die Sache der Drummer ist, wird im Intro des Beach Boys Songs „Do It Again“ aus dem Jahre 1968 beispielhaft hörbar. Neben Schlagzeuger Dennis Wilson, dem Jazzmusiker John Guerin (Tamburin und Holzklötze) und dem Hand Clapping der Beach Boys hatte Tontechniker Stephen Desper einen prägenden Anteil am Charakter des Rhythmusparts von “Do It Again“.
Doch der Reihe nach!
Der Song
Thema des Songs ist die wehmütige Betrachtung vergangener unbeschwerter Tage in der Gesellschaft von Freundinnen und Freunden an den kalifornischen Stränden.
Well I’ve been thinking about All the places we’ve surfed and danced and All the faces we’ve missed so let’s get Back together and do it again Ow! Come on and do it again
Letzte Strophe „Do It Again“
Wie so häufig in den Kompositionen der ungleichen Temperamente Brian Wilson und Mike Love gelingt eine 2:30 Minuten Symphonie unerwarteter musikalischer Wendungen mit der den Beach Boys eigentümlichen Portion trotziger Lebensfreude und sanfter Melancholie.
Die Komponisten des Songs Mike Love und Brian Wilson bezeichneten „Do It Again“ in verschiedenen Interviews als ihre beste gemeinsame Arbeit. Den Song kannst Du auf YouTube hier anhören.
The group at Zuma Beach, July 1967 – Carl Wilson, Al Jardine, Brian Wilson, Mike Love and Dennis Wilson -Press photo of the Beach Boys -Capitol Records via wikipedia – public domain
Der Groove
Es sind die einfachen Schlagfolgen, denen Individualität und Seele erst mittels Akzenten, Auswahl der Klänge und des passenden Tempos eingehaucht wird. Markant ist der Einsatz der Bassdrum der 2-taktigen Figur auf den Zählzeiten Drei.
Die rhythmische Figur des Schlagzeug-Intros „Do It Again“ im Notenbild
Tontechnischer Effekt der Bass- und Snare-Drum
Im Intro sind die Beats mit einem merkwürdigen gleichmäßigen druckvollem Knarzen zu hören. So ist der Song schon nach einem halben Takt zu erkennen und man wartet freudig auf den Einsatz der Band.
Wie ist dieser Effekt entstanden?
Häufig ist zu lesen, dass eine gewollte Übersteuerung diesen Sound verursacht hat. Zum Glück hat Tontechniker Stephen Desper den Effekt erklärt:
Einstellungen des Echos mit der kostenfreien Software „Audacity“ – Das Soundbeispiel (Audio) hat der Autor dieses Artikels mit der gezeigten Einstellung nachträglich bearbeitet.
„Während des Mixdowns kam Ingenieur Stephen Desper auf den Drum-Effekt, der am Anfang des Tracks zu hören war. Er erklärte, er habe „Philips“ in Holland beauftragt, zwei Bandverzögerungseinheiten für den Einsatz auf der Straße zu bauen (um den Live-Gesang zu verdoppeln). [Er] bewegte vier der Philips PB-Köpfe sehr nahe beieinander, so dass ein Schlagzeugschlag wiederholt wurde viermal im Abstand von etwa 10 Millisekunden und mit dem Original gemischt, um den Effekt zu erzielen, den Sie hören.“ (Zitat nach wikipedia)
Dennis Wilson als Schlagzeuger der Beach Boys
Dennis Wilson, der jüngste der drei Wilson-Brüder, wurde als Drummer nur gelegentlich im Studio zugelassen und meist durch den vielbeschäftigten Studiomusiker Hal Blaine ersetzt. „Do It Again“ aber, aufgenommen im Home-Studio von Brian Wilson, wurde mit der Unterstützung von John Guerin von Dennis Wilson getrommelt.
Musiker Dennis Wilson, der als der „wahre Beach Boy“ mehr durch sein exzessives Leben bekannt wurde, war ein Multitalent: Sänger, Songschreiber, Produzent, Pianist und eben auch Schlagzeuger. Durch seinen frühen Tod blieb es bei wenigen Solo-Veröffentlichungen. Darunter das – nicht nur von Beach Boys Fans – gelobte Album “Pacific Ocean Blue“.
Das Schlagzeugspielen lernte Dennis laut „mare“ von seinem Bruder Brian Wilson: „Brian musste mir zeigen, wie das geht. Ich hatte ja keine Ahnung.“
Dennis Wilson: Drum Solo im Stil des „Surf-Drummers“ Sandy Nelson
Dennis Wilson war ein hervorragender Live Drummer. In seiner besteten Zeit half er der Band mit seiner Musikalität und Lebenskraft zuverlässig wie der Drummer einer Big Band durch die stetig komplizierter werdenden Arrangements seines Bruders Brian.
Christian W. Eggers, 4. März 2021 (letzte Aktualisierung des Beitrags 11. März 2023: Der Artikel wurde bezüglich der Noten berichtigt und erhielt ein neues Audio-Beispiel für die Darstellung des Grooves.)
Der Beatles-Song Come Together wurde von John Lennon geschrieben und im September 1969 als Eröffnungsstück des Albums Abbey Road veröffentlicht.
„Auch wenn man Come Together heute als grandiosen Auftaktsong zum Abbey Road-Album der Beatles kennt, zählte der vor gut 50 Jahren von John Lennon geschriebene Titel zu den letzten Stücken, die sie für diesen Longplayer in Angriff nahmen. Nachdem ein Großteil des Albums bereits in den Get Back-Sessions im Januar 1969 erste Form angenommen hatte, entstand Come Together erst auf der Zielgeraden, als die letzte Ausfahrt zur endgültigen Abbey Road sozusagen schon in Sichtweite war.“ (1)
Auffallend ist die Schlagabfolge des Intros, die im Song wiederholt wird. Die für Bass und Gitarre sparsame 1-taktige Figur wird von Beatles Schlagzeuger Ringo Starr mit einem komplexen Triolen-Pattern ausgefüllt. Es hat einen hohen Wiedererkennungswert und wird häufig als ein Beweis für Ringo Starrs kompositorische Mitwirkung an den Beatles-Songs angeführt.
Der Schlagzeug-Part des Intros von Come Together. Im Intro wird die 1-taktige Triolen-Figur 4 mal wiedrerholt. Dier ersten zwei Achtel-Schäge im ersten Viertel wurden vermutlich im Overdub-Verfahren hinzugefügt und mit extremen Echo-Effekten bearbeitet.
Im Song ist die Schlagfolge mittels Tontechnik stark bearbeitet, so dass es schwer fällt die Spielweise im Detail herauszuhören. Hilfreich ist daher eine Demonstration der Original-Spielweise. Hier vom Meister Ringo Starr mit der ihm eigenen humorvollen Bescheidenheit selbst vorgenommen: https://www.youtube.com/watch?v=vl9188EPdLI
Der hier notierte Handsatz ist ein Vorschlag. Letztendlich muss jeder „seinen“ für ihn flüssig spielbaren Handsatz herausfinden
Einüben des Grooves
Als einen ersten Schritt empfiehlt es sich mit der Schalgabfolge mit einer „Trockenübung“ am Übungsbrett vertraut zu machen. Das Video zeigt die einzelnen Schritte.
Das Video zeigt das Einüben der Schlagabfolge von Come Together
Mit dem zweiten Schritt kann man versuchen die Abfolge auf nur einem Tom synchron mitzuspielen und ein Gefühl für das Triolen-Timing im Zusammenspiel mit der Gitarre und dem Bass zu entwickeln.
Audio: Schlagzeug, Gitarre und ein wenig Bass. Das Intro von Come Together nachgespielt ohne Hinzufügung von Effekten
Instrumentierung des Grooves
Nicht ohne Übungsaufwand lassen sich auch für geübte „Triolen-Spieler“ die Hi-Hat auf dem zweiten Viertel und die aufsteigenden Toms, also vom tiefen Tom zum höher gestimmten Tom auf dem dritten und vierten Viertel spielen. Ringo Starr erklärt diese Spielweise der Toms damit, dass sie ihm leichter fällt, als das Spiel „von oben nach unten“. (2)
Die Verteilung der einzelnen Schläge über die Instrumente des Drumsets ist auch für Fortgeschrittene eine Herausforderung. Mir ist die richtige Verteilung der Schlagabfolge nur mit einer kleinen Mogelei befriedigend gelungen: Die Toms und die Hi-Hat habe ich zur Aufnahme des Grooves so platziert, dass die Wege der Sticks nicht zu lang werden.
Das Einüben der „Come Together Schlagfolge“ lohnt sich. Neben der Beweglichkeitsübung kann man sie, gespielt auf der Snare und den Toms, effektvoll in Grooves mit 6/8-Gefühl einbauen.
Christian W. Eggers – 26. Februar 2023 – christian@stompology.org
Quellen
(1) „Come Together“: Die Geschichte hinter dem Klassiker vom „Abbey Road“-Album, Paul McGuinness, Published on September 27, 2019, www.udiscover-music.de
(2) YouTube Video „Ringo Starr Shows How to play Ticket to Ride, Come Together and Back off Boogaloo“
In Kleinanzeigenportalen tauchen sie regelmäßig auf. Der Vorrat scheint unendlich zu sein. Gemeint sind die Consumer-Mikrofone der 60er Jahre für „kleines Geld“. Diese Mikrofone wurden meist für den Anschluss an Tonbandgeräte im Heimgebrauch gebaut. Heute sind diese dynamischen Mikrofone verschiedener Hersteller für Preise zwischen acht und fünfzig Euro zu erwerben. Kann man mit den alten Dingern eigentlich noch etwas anfangen oder sind die optisch ansprechend gestalteten und robust verarbeiteten Mikrofone mehr etwas für Sammlervitrinen?
Von links: Telefunken TD 26 für acht Euro, Beyer M 55 für 35 Euro und ein Grundig GDM 321 für 25 Euro
Niedrigpreis-Oldtimer als Zweitmikrofon
Probieren geht über Studieren und so wurden drei 60er Jahre Mikrofone für den Anschluss an ein Mischpult und ein Interface mit XLR-Eingängen umgerüstet und als Zweitmikrofone zur Aufnahme des Raumklanges über dem Drumset platziert.
Umrüstung der drei getesteten Mikrofone von asymetrischen DIN-Steckverbindungen auf symetrische XLR-VerbindungenTelefunken TD 26: Abschirmung auf XLR-Pin 3 und 1, transparente Ader auf XLR-Pin 2; Beyer M 55: Abschirmung auf XLR-Pin 1, rote Ader auf XLR-Pin 2, weiße Ader auf XLR-Pin 3; Grundig GDM 321: Abschirmung auf XLR-Pin 1, gelbe Ader auf XLR-Pin 2, weiße Ader auf XLR-Pin 3.
Ausprobiert wurden folgende Mikrofone: ein Telefunken TD 26, ein Beyer M 55 und ein Grundig GDM 321. Letztere beiden Mikros haben eine Kugel-Charakteristik und sind damit sehr gut geeignet den Raumklang aufzunehmen. Das Telefunken Mikrofon TD 26 ist mit seiner Nieren-Charakteristik gerichteter.
Zielsetzung und Testbedingungen
Ziel war es, einen möglichst natürlichen Klang der Trommeln und Becken zu erreichen. Als Hauptmikrofon wurde ein „Bändchen“ neuer Herstellung (the t.bone RM 700) zwischen Snare und Hi-Hat platziert. Das Mikrofon nimmt mit seinem relativ dunklen Klang das kleine Set ausgewogen und „warm“ auf. Bei der im Bild gezeigten tiefen Platzierung ist auch der Klangerzeugung der Schwingung des Schlagfells der Bassdrum ausreichend laut aufnehmbar.
Ein Bändchen-Mikrofon der Hausmarke eines großen Musikhauses: t.bone RM 700 mit Acht-Charakteristik
Nachteil dieses Aufbaus mit einem Bändchen-Mikrofon ist, dass die Obertöne der Instrumente des Sets verloren gehen. Daher bietet sich an, über dem Set ein zweites Mikrofon zu installieren und eine höhenreichere Farbe über den Raumklang hinzuzufügen. Der Reihe nach wurde dieses mit dem Telefunken TD 26, dem Beyer M 55 und dem Grundig GDM 321 ausprobiert.
Die zu testenden Mikrofone wurden an der Decke des Aufnahmeraumes intalliert und auf das Schlagzeug ausgerichtet. Die Testaufnahmen wurden mit dem Computer angefertigt.
Das Ergebnis
Nachfolgende Audios wurden mit dem Computer angefertigt. Der Pegel des „Bändchens“ wurde dabei etwas höher als der des jeweilig zu testenden dynamischen „Zweitmikrofons“ eingestellt. Auf eine nachträgliche Bearbeitung der Aufnahmen sowie auch auf das „Schrauben“ an den Tiefen, Mitten und Höhen während und vor den Aufnahmen wurde verzichtet. Das klingt dann nicht optimal, aber damit wird das Ergebnis nicht verfälscht.
Aussteuerung: oben das Signal des Bändchen-Mikrofons und unten das Signal des Telefunken TD 26 Mikrofons. Für den Test wurde die 2-Kanal-Aufnahme völlig unbearbeitet belassen.
Nur das Bändchen-Mikrofon zwischen Snare und Hi-Hat
Bändchen-Mikrofon zusätzlich mit dem Telefunken TD 26 als Overhead
Bändchen-Mikrofon zusätzlich mit dem Beyer M 55als Overhead
Bändchen-Mikrofon zusätzlich mit Grundig GDM 321als Overhead
Fazit
Als „Zweitmikrofone“ zur Abnahme von Percussionsintrumenten und kleineren Drumsets können die preiswerten Oldie-Mikrofone, sparsam eingesetzt, eine individuelle Klangfarbe in den Sound zaubern.
Tatsächlich funktioniert die „Höhen-Auffrischung“ mit allen drei Mikros als „Overhead“. Unterschiede sind hörbar und die sind Geschmackssache. Mir gefällt der Klang der Aufnahme mit dem Beyer M 55 sehr gut.
Die Aufnahme mit dem Telefunken Mikrofon TD 26 bring die getretene Hi-Hat auf der Zwei und der Vier des Shuffle-Grooves deutlich heraus. Das kann auch an der Nieren-Charakteristik dieses Mikrofons liegen. Das Grundig GDM 321 wirkt am dezentesten; obwohl bei der Aufnahme der Pegel etwas höher gedreht ist, als bei den beiden vorherigen Aufnahmen.
Festzuhalten ist, dass die Mikrofone robuste Metallgehäuse haben und mit etwas Bastelei auch an „moderne“ Mischpulte mit symetrischen XLR-Eingängen angeschlossen werden können. Für Sprachaufnahmen in Richtung „Radiostimme“ sind diese Mikros nicht zu empfehlen. Jedes preiswerte Kondensator-Großmembran-Mikrofon aus China übertrifft die kleinen Oldtimer an Klang und Power.
Auch für Aufnahmen akustischer Gitarren lassen sich die getesteten Mikros nicht so gut verwenden. Sie stoßen an ihre Grenzen und lassen den Korpus zu „dünn“ klingen. Denkbar ist aber auch hier ein Einsatz als „Zweitmikrofon“, zum Beispiel bei der Aufnahme einer Westerngitarre zur Durchsetzung der Gitarre im Zusammenspiel mit weiteren Instrumenten.
Mag man „Old-School-Drumming“ und Jazz, dann machen die ollen Dinger richtig Spaß. Die drei Mikros werden einen festen Platz in der „Werkzeugkiste Sounds“ behalten.
Christian W. Eggers – 18. Februar 2023 – christian@stompology.org (Letzte Aktualisierung dieses Artikels am 19. Februar 2023)