Famous Grooves – The James Brown Beat

Wird eine Geschichte ständig wiedergegeben, wird sie weder zur Wahrheit noch zur Lüge. Tatsache ist wohl, dass das Musikgeschäft durch Superlative und Übertreibungen geprägt wird. Musikjournalisten, interviewte Musiker, Pop-Historiker und Mitarbeitende der Marketingabteilungen (m/w/d); sie alle tragen zur Legendenbildung bei.

Die Musikzeitschrift Rolling Stone kürte Live at the Apollo zum besten Livealbum aller Zeiten.

Lichtet sich der Bühnennebel, ist die Party für die Protagonisten meist vorbei. Im fahlen Licht der Saalbeleuchtung drängt die Masse zu den Ausgängen und die Show geht weiter. Nur eben mit neuen Legenden und Superlativen, die das Showgeschäft braucht wie ein Supermarkt die Sonderangebote.

Eine Tatsache ist, dass einer der ersten Drummer des Soulsängers James Brown der Musiker Clayton Fillyau war. Sein Spiel ist verewigt unter anderem auf dem ersten Livealbum Live at the Apollo von James Brown and The Famous Flames. Aufgenommen wurde das Album am 24. Oktober 1962.

Bald darauf kündigte Clayton Fillyau die Arbeit für den aufgehenden Soul-Superstar auf. Zu lesen ist, dass Mr. Brown ein recht eigenartiges Verhältnis zur Kollegialität gehabt haben soll. Egal, es standen inzwischen genug andere Talentierte Schlange.  

James Brown trat gerne mit zwei Schlagzeugern auf. Wurde einer müde oder spielte für den Moment nicht so wie Mr. Brown es sich wünschte, musste ein anderer übernehmen. Foto: Heinrich Klaffs

Nun zu den Superlativen und Legenden. Einer der meist gesampelten Beats weltweit, so wird immer wieder behauptet, ist eine einfache Schlagzeug-16tel-Figur. Sie diente als rhythmische Basis für zahlreiche Songs des „Mr. Dynamit“.

Bedeutsam für den Charakter dieses „funky“ 16tel-Grooves ist das Durchspielen der Bass Drum „Eins“ – „Eins-Und“ – „Drei“ – „Drei-Und“ sowie die recht kräftige Betonung der Backbeats („Zwei“ und „Vier“) auf der Snare Drum.
Audio 1: Version mit leicht geöffneter Hi-Hat
Audio 2: Version mit geschlossener Hi-Hat und 16tel Ghost Notes

Zu lesen ist, dass Mr. Brown ein recht eigenartiges Verhältnis zur Kollegialität gehabt haben soll. Egal, es standen inzwischen genug andere Talentierte Schlange. Sie wurden berühmt. 

Und nun zur Legende: „Erfunden“ haben soll Clayton Fillyau diesen damals völlig neuartigen Beat. Damit nicht alles zum x-ten Mal abgeschrieben wird und um die Leserschaft nicht zu langweilen, soll ein Link genügen. Es bleibt hier dabei, sich an einem kraftvollen Beat zu erfreuen, ihn zu variieren und  sich inspirieren zu lassen.

Ach so, wo kommt die Bezeichnung James Brown Beat für diese Schlagfolge her? Sie stammt aus einer seriösen Quelle, dessen Autor die Einsicht hatte, dass Clayton Fillyau einen typischen James Brown Beat erfand. (1)

So gewürdigt, nimmt die Sache einen guten Ausgang.

Auch wenn sich kaum jemand an Clayton Fillyau erinnert, er keinen Eintrag bei Wikipedia hat, die Suchmaschine von Drummerworld kein Ergebnis anzeigt und die Record-Label den Namen Fillyau auf den Covern, wenn überhaupt, in bizarren Variationen der Schreibweise bei maximal 6 Punkt Schriftgröße reproduziert haben.

Der fotoscheue und bescheidene Mr. Fillyau hat mit „seinem“ Funky-Beat die Musik der Gegenwart über den Hip-Hop bis zum Techno wie kein anderer Schlagzeuger der späten 50er und frühen 60er Jahre beeinflusst.

Christian W. Eggers – christian@stompology.org – 23. März 2024 (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 24. März 2024)

Bildnachweis: James Brown im Konzert, Autorenname: Heinrich Klaffs – originally posted to Flickr as James Brown Live 1702730029, via Wikimedia, Lizenz: CC BY-SA 2.0 Original-Bildunterschrift des Autors: Geballte Energie: James Brown, Februar 1973, Musikhalle Hamburg

Fußnote: (1) Aukes, Antoon; Second Line – 100 Years Of New Orleans Drumming, Seite 67, (C. L. Barnhouse)

Swingender Spielmannszug – Teil 3 New Orleans Brassband Snare Drum

Die dritte und letzte Folge zum swingenden Spielmannszug befasst sich mit der Spielweise der Snare Drum. In der vorangegangenen Folge 1 ist zu erfahren, welche Voraussetzungen Swing hervorbringen. Die Folge 2 beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Becken und Basstrommel im Stil der New Orleans Brassbands. Mit dieser dritten Folge der Artikelserie ist zu erfahren, wie die Snare Drum in das rhythmische Fundament der Basstrommel und der Becken integriert werden kann.

Spieltechnik – Rollen und Traditional Grip

Trommlerinnen und Trommlern der Spielmannszüge kennen natürlich die Stick-Haltung, die als Traditional Grip bezeichnet wird.

Der Traditionel Grip ist nicht schwerer zu erlernen als der Matched Grip. Schwer ist aber das Umlernen, wenn über Jahre mit dem Matched Grip gespielt wurde. Seinen Ursprung hat die „alte Haltung“ in der Militärmusik, bei der diese Haltung durch die schräge und seitliche Position der Trommel am Körper erzwungen war. Der Traditional Grip fördert die Unabhängigkeit der linken Hand von der rechten und er erleichtert ein sehr leises Spiel, was bei Ghost Notes (sehr leisen Schlägen) besonders von Vorteil ist.
Eine kleine Änderung des „traditionellen Griffs“ ist dennoch hilfreich. Das Rollen wird erleichtert, wenn der Stick „verkehrt herum“ gehalten wird.Das typische „Rollen“ der New Orleans Brassbands entsteht auf der Snare-Drum. Dabei werden die Sticks nur leicht gehalten und das „dicke Ende“ erzeugt fast von alleine ohne besonderen Druck den „Press-Wirbel“.

Rollen statt pressen

Mit „Rollen“ ist hier der im Unterricht häufig als Presswirbel bezeichnete Tremolo-Effekt gemeint. Im Gegensatz zur Spielweise der Spielmannszüge wird öfter das schwere Ende des Sticks zum Rollen im New Orleans Stil verwendet.

Der Grund dafür liegt in der sehr lockern Haltung des Sticks. Diese, sozusagen entmilitarisierte Spielweise, lässt den Stick durch sein Eigengewicht beim Auftreffen auf die Snare Drum ohne viel Druck locker federn.

Die Noten zeigen eine einfache Schlagfolge für die Snare Drum. Fonetische Merkhilfe: „Do-Raarr – Do-Raarr – Do-Raarr – Dam-be – DAB-Ba“.
Die Notation für das Zusammenspiel von Becken und Basstrommel. Die einzelnen Takte dieser Figur können selbstverständlich auch in der Reihenfolge ausgetauscht werden. Wichtig ist das Hervorheben der Zählzeit 4 als Bezugspunkt dieser Rhythmik. Dieser Akzent auf der Zählzeit Vier erfolgt in jedem zweiten Takt. Entfällt er, verliert der Groove seinen Schwung und Mitmusikerinnen und Mitmusiker verlieren die Orientierung.

Die selben Schlagfolgen hier nun endlich im Zusammenspiel mit Becken und Basstrommel.

Einen Song im Brassband Stil komponieren

Zusammenfassung

Die Schritte der Wandlung der europäischen, traditionellen Spielweise der Infanterie-Märsche in eine swingende Musik-Parade im Stil der New Orleans Brassbands bestehen in

  • dem Spielen in einer triolischen Rhythmik im Two Beat mit dem Bezugspunkt der Zählzeit 4,
  • der Hervorhebung von Offbeats (Synkopen) auf der 2-Und sowie
  • der körperlichen Bewegung der Parade in weichen und wiegenden Schritten.

Quellen der Inspiration

Zum Abschluss dieser Artikelserie noch ein Hinweis zum Auffinden von authentischen Spielweisen der New Orleans Brassbands. Das in San Francisco 1996 gegründete gemeinnützige Projekt Internet Archive ermöglicht die umfassende Suche nach traditionellen Spielweisen der New Orleans Brassbands.

Ich wünsche sehr viel Inspiration und Freude beim Spielen und Experimentieren mit dieser voller Reichtum steckenden Spielweise der New Orleans Brassbands.

Ganz besonders würde ich mich freuen, wenn Musikerinnen und Musiker eines Spielmannszugs das hier Erfahrene ausprobieren und mir vielleicht ihre eigenen Erfahrungen schreiben mögen.

Christian W. Eggers – 17. März 2024 – christian@stompology.org – (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 15. Mai 2024)

PS: Archie Ancora And The Motorboats, die Stompology-Hausband, haben angedroht einen Song auf der Basis des hier vorgestellten Grooves aufzunehmen. Bisher scheitert die Sache aber am Drummer, der noch nicht so ganz routiniert mit dieser Rhythmik umgehen kann.

Der swingende Spielmannszug – Teil 2 Basis-Übung für Basstrommel und Becken im Two-Beat

In diesem zweiten Teil der Artikelserie zur Umsetzung des swingenden Spielmannszuges geht es um das Einüben der Two-Beat-Basis der swingenden Second Line Spielweise für Basstrommel und Becken.

Im ersten Teil war zu erfahren, wie ein swingender Two Beat einer New Orleans Brassband klingt.

Als Two Beat wird eine Spielweise bezeichnet, die auf dem Wechsel von Basstrommel- und Becken-Schlägen der Viertel in einem 4/4 Takt basiert. Das Tempo dieser Schläge bestimmt das Schritttempo einer Parade.

Die Voraussetzungen für den New Orleans Parade Stil im swingenden Two Beat bestehen im wesentlichen aus

  • dem Spielen im triolischen Fluss,
  • dem Hervorheben der Zählzeit 4 sowie
  • im Spielen von Offbeats (Synkopen) auf der Zeit 2-Und.

Zur Einstimmung und Orientierung an dieser Stelle ein Song einer New Orleans Brassband, die einen typischen Second Line Groove spielt.

Zusammenspiel von Basstrommel und Becken

In einer New Orleans Brassband spielen die Bass-Trommler und Bass-Trommlerinnen auch die Becken. Diese sind an den Basstrommeln mit kleinen Stativen befestigt. In einer klassischen Spielmannszugs-Besetzung fallen diese beiden Instrumente auf jeweils eine Person. Dritte Personen spielen die Snare Drums.

Zusammenspiel im Two Beat

Das rhythmische Fundament für das Spiel im Second Line Parade-Stil bildet das Zusammenspiel von Basstrommel und Becken im Two Beat. Damit ist der Wechsel von Basstrommel und Becken auf den Vierteln eines 4/4 Taktes gemeint.

Das erste Viertel wird auf der Basstrommel gespielt, das zweite Viertel wird mit den Becken markiert, das dritte Viertel erklingt wieder mit der Basstrommel und das vierte Viertel zum Abschluss eines Taktes erfolgt wiederum mit den Becken.

Das Notenbeispiel zeigt in den Takten 1, 2 und 4 den Two Beat. Der Takt 3 zeigt einen Four Beat, der zur Steigerung der Energie sparsam in die grundsätzliche Spielweise im Two Beat „eingebaut“ werden kann.

Erst wenn das Fundament des Zusammenspiels von Basstrommel und Becken sicher steht, sollten die melodisch gespielten Schlagabfolgen auf der Snare Drum hinzukommen (siehe Teil 3 dieser Artikelserie zur Spielweise der Snare Drum).

Grundsätzliches zum Einüben

Die „Mutter“ der hier vorgestellten Spielweise ist der „triolische Fluss“ des Zusammenspiels von Basstrommel und Becken.

Für die ersten Schritte ist es bedeutsam zu verstehen, dass Second Line Kompositionen meist als 4/4 Takte notiert werden. Doch liegt hierin die Gefahr von Missverständnissen. Dem rhythmischen Fluss liegt meist ein 6/8-tel Gefühl zu Grunde. „Triola-Triola-Triola-Triola“. Dieses Gefühl wird hier als triolischer Fluss bezeichnet. Näheres hierzu ist hier zu finden.

Ein Metronom zum gemeinsamen Üben ist zunächst wohl unerlässlich. Hier im Bild ist ein älteres mechanisches Metronom zu stehen. Stellt man es auf eine Trommel, wird es zum ersten Einüben von Bewegungsabläufen gerade laut genug für die Anwesenden schwingen. Zudem hat ein mechanisches Metronom auf Grund seiner Trägheit einen natürlichen Swing. Es ist etwas „menschlicher“ als der elektronische „Pieper“ im Ohr.

Förderlich ist es, wenn die nachfolgenden drei Übungen in einem sehr langsamen Tempo zur Einübung begonnen werden. Auch wenn das zunächst seltsam wie eine „Zeitlupe“ wirkt und man sich noch nicht vorstellen kann, dass sogar die wenigen Schläge der Übung 1 „grooven“ können.

Übung 1 – Triolischer Fluss mit Bass-Drum-Offbeats

Ziel dieser Übung ist die Gewöhnung an die Zählzeit 2-Und und an die Hervorhebung der Zählzeit 4.

Die Übung 1 zeigt die Basis der Two Beat Figuren: Je nach Komposition können den unterschiedlichen Zählzeiten der bis zu vier Takte umfassenden Figuren Basstrommel-Offbeats (Synkopen) hinzugefügt werden. Im Beispiel ist ein Schlag der Basstrommel auf der Zählzeit 2-Und im zweiten Takt der Figur hinzugefügt. Weiter ist es wichtig die Schläge der Zählzeit 4 deutlich zu akzentuieren.

Second-Line Grooves werden als 4/4 Takte notiert. Dennoch liegt diesen „two-beats“ ein 6/8 Gefühl zu Grunde. Daher ist es hilfreich zum Einüben das Pattern zunächst in einer ternären Auffassung zu spielen. Die nicht gespielten Schläge der Triolen sind in Klammern gesetzt. Sie können beim Einüben aber gesungen werden, damit das Zeitmaß der ausgespielten Schläge stimmt.

Mit dem folgenden Audiobeispiel ist zu hören, wie die einfachste Basis-Figur eines typischen Second Line Grooves im Two Beat langsam eingeübt werden kann. Dabei ist es hilfreich Betonungen zunächst etwas zu übertreiben.

Mit dieser synkopierten Basstrommel auf der 2-Und nimmt die Schlagfolge jetzt deutlicher den Charakter eines Second Line Two Beat an.

Nach dem Spielen der 2-Und ist es wichtig, dass die 3 und die akzentuierte 4, gespielt von Basstrommel und Becken, im triolischen Fluss bleiben. Gemeint ist damit, dass diese Viertel-Schläge nicht „zackig“ im binären Zeitgefühl erfolgen sollten. Darauf ist besonders zu achten, denn sonst verliert diese Spielweise ihr Flair.

Übung 2 – Komplexe Figuren der New Orleans Brassbands

Komplex und damit auch melodischer sind die 4-taktigen Figuren. Das Notenbeispiel zeigt ein verbreitetes Pattern zum Second Line Drumming. Die oben gezeigte Übung 1 ist ein Schritt zum Erlernen komplexer Figuren. (2)

Ist das hier zu hörende Zusammenspiel von Becken und Basstrommel „intus“, ist ein riesiger Schritt in Richtung „swingender Spielmannszug“ erreicht. Selbst mit der Swing-Rhythmik erfahrene Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger brauchen für diese Art des Spiels häufig eine Zeit der Gewöhnung.

Übung 3 – Komplexe Figuren mit Pausen als „hohe Schule“

Fortgeschritten ist das Spielen komplexer Abläufe mit Pausen auf der Zählzeit Eins oder/und auch auf der Zählzeit Drei. Diese Pausen sind sehr wirkungsvoll, weil sie dem Groove zusätzlichen swingenden Schwung verleihen. Die Pausen sind im Notenbild rot hervorgehoben.

Nachfolgend ein Beispiel für den Schwung mittels Pausensetzungen auf der Eins im dritten Takt und auf der Drei im vierten Takt. Ein schönes Beispiel für die Kunst des Weglassens und ihre Wirkung in der Rhythmik.

Der dritte Teil dieser Artikelserie befasst sich mit der Spielweise der Snare Drum auf der Grundlage des hier gezeigten Fundaments des Two Beat von Basstrommel und Becken.

Ich bedanke mich für das Interesse und freue mich, wenn diese dreiteilige Artikelserie (Teil 1, Teil 3) dazu beiträgt, dass das Spielen im Stil der New Orleans Brassbands auch eine Bereicherung für traditionelle Spielmannszüge sein kann.

Christian W. Eggers – 3. März 2024 – christian@stompology.org – (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 20. März 2024)

  • Fußnote (1): Nicht zu verwechseln ist die Aufteilung 3:2 im „two-beat“ mit dem Spiel der New Orleans Brass Bands mit den dort auch im Programm befindlichen afrokubanischen Claven der meist binär gespielten Grooves.
  • Fußnote (2): Reproduziert aus Second Line – 100 Years Of New Orleans Drumming, Antoon Aukes (C. L. Barnhouse), Seite 3

Song „Ich kann nur einen Beat“

Hier ist das aktuelle Demo zum Song „Ich kann nur einen Beat“ der Stompology Hausband Archie Ancora And His Motorboats.

Nun ja, was soll man sagen? Archie und die Jungs toben sich etwas aus und möchten nicht ständig Grooves bekannter Interpreten nachspielen. Nach langem Gequengel: Ok, diesen einen Beat!

Ich hoffe, dass wir uns jetzt wieder ernsthaft mehr mit den wissenschaftlichen Aspekten der Rhythmik, der Stompology, befassen können. 🙂

Dank an Beeble aus dem drummerforum.de, der das schlimmste Bass-Wummern ein wenig bändigen konnte und aus den „Kraut und Rüben Spurensalat“ einen anhörbaren Mix gemacht hat.

Christian W. Eggers – 28. Februar 2024 – christian@stompology.org – (letzte Aktualisierung dieses Beitrags am 29. Februar 2024

Der swingende Spielmannszug – Teil 1 Voraussetzungen zum Swingen im Two Beat

Kann man eigentlich mit dem Spielmannszug in der Swing-Rhythmik spielen? Vor dieser Frage einer Leserin gab es bei dem Versuch der Umsetzung der Idee „swingender Spielmannszug“ ein heilloses Chaos. Das erinnert ein wenig an die Filmszene aus der Glenn Miller Story, in der der berühmte Bandleader als zum Kriegsdienst eingezogener Soldat einen Infanterie-Marsch zum St. Louis Blues March verwandelt.

Wie auch ein traditioneller Spielmannszug das Swingen lernen kann, davon handelt diese Artikelserie in drei Teilen. In diesem ersten Teil geht es um die theoretischen Voraussetzungen zum Swingen im Stil einer New Orleans Brassband.

Der zweite Teil und der dritte Teil beschäftigten sich mit der Einübung und Umsetzung des „swingenden Spielmannszugs“.

Und hier ist er! Der „Brassband Two Beat Groove“ um den es im folgenden geht.

Lernen von den New Orleans Brassbands

Berühmt für swingende Paraden sind die New Orleans Brassbands. Noch heute ist die oben gehörte Form der rhythmischen Gestaltung in den Straßenparaden der New Orleans Brass Bands erhalten.  

Hier ist ein Hörbeispiel einer vollständigen Brassband. In diesem Video ist auch zu sehen, wie die Trommeln und die Becken gespielt werden. Sie sind das Fundament auf dem der Rest der Band swingt.

Das Foto zeigt eine New Orleans Straßenparade anlässlich der Beerdigung des Jazz Musikers Danny Barker. Die New Orleans Straßenparaden mit ihren Brassbands stehen in einer langen Tradition und sie werden als die Wiege des Jazz betrachtet. Europäischer Marsch, triolische Spielweisen und „syncopated Grooves“ bildeten das rhythmische Fundament. Quelle: Wikimedia Lizenz

Zwei grundlegende Spielweisen – Binär und Ternär-Triolisch

Um Missverständnissen vorzubeugen, ist es bedeutsam zu wissen, dass die Rhythmik der New Orleans Brassbands im Wesentlichen auf zwei unterschiedlichen Spielweisen basiert. Diese bestehen ursprünglich in einer mehr lateinamerikanischen Ausrichtung und daneben in der stärker an ursprünglich afrikanische Rhythmen angelehnten Spielweise.

Samba-Paraden und Sambaschulen, ursprünglich bekannt aus dem Karneval in Rio de Janeiro, sind weltweit verbreitet. Anders als die Musik der New Orleans Brassbands basiert die Rhythmik dieser Paraden mehr auf einer binären Zeitteilung als auf der überwiegend triolischen, swingenden Zeitteilung der New Orleans Brassbands. Foto: Lee Pigott / unsplash.com

Während der „lateinamerikanische Zweig“ meist nicht swingend gespielt wird (binäre Rhythmik), swingt die afrikanische Ausrichtung der Rhythmik in einer „gedehnten Zeit“ auf der Grundlage eines 6/8-Gefühls.

Diese Spielweise wird auch als „triolische Rhythmik“ bezeichnet. Sie geht aus der ternären Rhythmik hervor. Ein Artikel zum vertiefenden Verständnis der ternären und triolischen Spielweisen ist hier zu finden: Erklärung der binären, ternären und triolischen Rhythmik

In diesem Audio-Beispiel ist zu hören, wie eine Marsch-Phrase, am Drumset triolisch gespielt, swingen kann.

Die drei notwendigen Bedingungen für „swingende Spielmannszüge“

Drei Änderungen der traditionell europäischen rhythmischen Auffassung und der Darbietung des Spielmannszugs sind Voraussetzung, damit die Parade swingt.

Die Schritte der Wandlung der europäischen, traditionellen Spielweise in eine swingende Musik-Parade im Stil der New Orleans Brassbands bestehen in

  • dem Spielen in einer mehr ternären („triolischen“) Rhythmik im Two Beat sowie
  • der Hervorhebung von Offbeats (Synkopen),
  • der körperlichen Bewegung der Parade zu weichen und wiegenden Schritten.

Tanzen statt Marschieren

Die Choreografie des Spielmannszugs, soll sie nicht in einem ständigen Konflikt mit der swingenden Musik stehen, muss sich zwangläufig ändern. Die Gangart, die Swing hervorbringt und unterstützt, wäre zumindest nach militärischen Maßstäben schon ein wenig subversiv. Nämlich mehr wiegend und weicher als die Schritte des militärischen Marschierens. Vielleicht schon ein Tanz. Eine schöne Vorstellung!

Literaturhinweise

  • Eines der umfassendsten und leicht verständlichen Lehrbücher über New Orleans Drumming sowie zum Verständnis von Swing wurde von Antoon Aukes aus den Niederlanden verfasst. Mit jedem Satz und jeder Note (inklusive CD) spürt man seine Begeisterung für das Spiel der New Orleans Brassbands. Das ist wirklich ansteckend. „Second Line – 100 Years Of New Orleans Drumming“, Antoon Aukes (C. L. Barnhouse)
  • Zum Verständnis der Unterscheidungen zwischen ternär, triolisch und binär: Erklärung der binären, ternären und triolischen Rhythmik
  • Zum Verständnis der Begriffe Onbeat, Offbeat und Two Beat: Bausteine eines Grooves – Unterteilungen und Mikrotiming

Im zweiten Teil und im dritten Teil dieser Serie zum swingenden Spielmannszug geht es um das spezielle Einüben und die Umsetzung der Theorie in die Praxis heimischer Spielmannszüge. (2)

Vielen Dank für das Dranbleiben!

Christian W. Eggers – 21. Februar 2024 – christian@stompology.org – (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 18. März 2024)

Fußnoten

  • (1) Eine zutreffende Erklärung und für die Praxis Orientierung gebende Definition für den Begriff Synkopen aus der amerikanischen Jazz-Wissenschaft.
  • (2) Der dritte Teil zu diesem Artikel erscheinen voraussichtlich Mitte März 2024.

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