Über den Tulsa Sound ausgerechnet am Beispiel des Grooves von The Breeze von JJ Cale zu schreiben und ihn nachzuempfinden ist seltsam. War doch am Anfang nur ein Hammond Drumcomputer („Boom Tschack Boom Tschack“) im Spiel. Aber der Reihe nach.
Tulsa als Zentrum eines eigenen Stils
„Die Großstadt Tulsa in Oklahoma hatte von den 1950ern bis in die 1970er eine sehr lebendige Musikszene, die einen eigenen Sound entwickelte.“ „Berühmtester Vertreter dürfte JJ Cale sein. Eric Clapton, der dessen Stücke coverte, machte sich auch diese spezielle Spielart zu eigen, obwohl er bekanntlich nicht aus Tulsa stammt.“ (1)
Hintergrund der Entwicklung: Anders als im frühen R&B, der sich überwiegend außerhalb eines offiziellen Bildungsbetrieb entwickelte, wuchs in den 60er Jahren eine Generation heran, deren musikalische Bildung spätestens in „Performance Groups“ an den High-Schools begann. Alte und neue Musikrichtungen waren plötzlich aus der Praxis zugänglich: Jazz, Blues, R&B, Folk, Big Band Swing und natürlich die unterschiedlichen Country-Musik Stile. Man konnte sich bedienen. Genau das ist das Rezept des Stils aus Tulsa und Umgebung. Jedenfalls sind neben einer Vielfalt an Instrumenten der Folk- und Country-Musik viele Cowboy-Hüte auf den Bühnen zu sehen.
Entschiedene Unentschiedenheit
Der Tulsa-Zutaten-Stilmix hat auch in der Rhythmik zahlreicher Kompositionen Spuren hinterlassen. Die dem Blues entlehnten Phrasen werden hörgewohnheitlich als Achtel mit den üblichen Backbeat-Anschlägen auf der Zwei und der Vier wahrgenommen. Der Rhythmus-Gitarre in The Breeze liegen jedoch 16-tel Anschläge und Pausen als Fluss zu Grunde.
Der Bass und das Schlagzeug spielen ebenfalls in der Zeiteinteilung einer Country-Musik Rhythmik. Da ist zunächst der ruhige Wechselbass mit dezenten Betonungen auf der Eins und der Drei in 4/4-Takt Kompositionen. Das Schlagzeug spielt wie die Rhythmusgitarre eine verdoppelte Geschwindigkeit der Grundschläge. Also, mit dem in den verschiedenen Stilen der Country-Musik beheimateten Doubletime-2/4-Takt Gefühl. In diesem Mikrotiming (den Unterteilungen der Grundschläge) werden nun Und-Zeiten und der nachfolge „die“-Schlag (das 4. Sechzehntel eines Grundschlages ) auf der Snare Drum hervorgehoben.
Es entsteht das typische Rattern, welches an einen Eisenbahnzug in schneller Fahrt oder an das „Andampfen“ einer Lokomotive erinnert (zumTrain Beat ausführlich). In der Verbindung von Gitarre, Bass und Schlagzeug ist jetzt ein lebhafter Groove zu hören. Er enstspricht nicht so richtig den Hörgewohneiten eines „Backbeat“-Rock’n Roll und auch nicht den Hörgewohnheiten eines üblichen Country-Grooves.
Deutsche Musikkritiker schreiben öfter, dass JJ Cale Rhythmen „stolpern“ und sogar „Herzrhythmusstörungen“ erzeugen.
(2) Fundstellen: Christian Thomas in der Franfurter Rundschau und laut.de über JJ Cale
Das Beispiel – „The Breeze“ in einer Liveversion
Zwischen Live- und Studio-Versionen ließ JJ Cale enorme Unterschiede zu. Die hier besprochene neun-minütige Live-Version von The Breeze wurde mit einer riesigen Besetzung und mit Schlagzeuger Jimmy Karstein in Tulsa im Jahre 2004 aufgezeichnet. Hier kannst du sehen und hören, wie der Song auf der Bühne gespielt wurde.
Doublehand Variante
In diesem kurzen Ausschnitt der Live-Version kannst du sehen, wie der Drummer mit beiden Händen gleichzeitig die 16-tel Figur des Grooves The Breeze trommelt. Diese Spielweise wird öfter als Doublehand bezeichnet und sie ist im Shuffle gebräuchlich.
Der Komponist JJ Cale
JJ Cale führte nach zahlreichen Coverversionen seiner Kompositionen durch brühmte Interpreten ein ruhiges Leben mit sicherem Tantiemen-Einkommen. Ruhm und Starrummel verabscheute er. Das war nicht etwa eine Image-Marketingidee. Der Schlagzeuger Karl Himmel berichtet:
„Ich glaube, er hat sich vor dem Erfolg versteckt. Ich erinnere mich, dass ich einmal mit ihm in Frankreich war und wir im Hotel zu Mittag aßen. Ich sah diese schönen französischen Damen und brachte sie an unseren Tisch. Ich sagte: ‚Sie reden davon, zu deiner Show zu gehen. Besorg ihnen ein paar Pässe.‘ Er fing an zu erröten. Ich sagte: ‚Sag ihnen deinen Namen.‘ Aber er war so schüchtern und wusste nicht, was er sagen sollte. Er war wie kein anderer. Nicht lange danach lebte er mit seinem Hund in einem Airstream-Anhänger. Er ist einfach verschwunden.“ (3)
Die Drummer
Die hier besprochene Live-Aufnahme zeigt den Drummer Jimmy Karstein. Ein längeres Interview kannst du hier auf YouTube anschauen. Auch Karstein verfügt über die den Tulsa Musikerinnen und Musikern eigene Vielseitigkeit. So trommelte er nicht nur für die Stars der Country-Musik, sondern auch für Rockmusiker wie Jo Cocker.
Karl Himmel ist ebenfalls in vielen unterschiedlichen Stilen zu Hause und liebt Jazz. Er trommelte u. a. für Dr. John (New Orleans R&B), Bob Dylan und Neil Young. Karl Himmel wurde für etwa drei Stunden (inklusive Zigarettenpausen) von JJ Cale für einige Aufnahmen des Albums Natrurally engagiert. (4)
Und was ist nun mit dem Hammond Drumcomputer der Originalaufnahme The Breeze auf dem Album Naturally? Ich finde, der hat einen guten Job gemacht.
Christian W. Eggers – 24. Juni 2021 (letzte Aktualisierung am 22. Februar 2022) christian@stompology.org
Quellen:
- (1) Online-Musik-Magazin Sounds Of South
- (2) Christian Thomas; Angekommen in der Schwebe, Frankfurter Rundschau und laut.de über JJ Cale
- (3) und (4) Andy Greene; Drummer Karl Himmel on His Years With Neil Young, Bob Dylan, Elvis Presley, and J.J. Cale; Rolling Stone; Zitat übersetzt durch den Autor mit Hilfe von Google-Übersetzer 🙂