Lateinamerikanische Einflüsse im Jazz haben ihren Weg in New Orleans begonnen. „Faux“ bedeutet „falsch“ oder auch „nachgemacht“. Diese nicht abwertende Bezeichnung trifft für den „Faux Latin Boogie“ Groove zu. Er ist weder ein „reiner“ Boogie-Groove noch ein lateinamerikanischer Rhythmus der „geraden Achtel“ (straight eights).
Das wohl berühmteste Beispiel für einen Faux Latin Groove ist in „What’d I Say“ (1959) von Ray Charles zu hören. Getrommelt hat diesen Klassiker Milt Turner; ein Meister des frühen R&B Drumming.

Ungewöhnlich aus der Perspektive eines Swing-Puristen ist die durchgehende Betonung der „Eins“ im 4/4-tel Takt mit einer 16-tel Teilung. Das fühlt sich schon etwas nach Latin-Groove an. Auf der „Drei“ und der „Vier“ folgen dann die gewohnten Shuffle-Schlagfolgen.
Hörbeispiel (ternär) Snare mit Besen
Shuffle-Gefühl oder gerade Achtel? Was ist besser?
Beides ist spannend! Und noch spannender wird es, wenn ein Groove sich zwischen dreigeteilter und zweigeteilter Interpretation bewegt.
Hörbeispiel (binär) Becken, Snare und Tom
Kann man das üben? Es passiert einfach! Ich meine, man muss das nicht üben, wenn man die ternäre Spielweise kennt und in einer guten Band spielt. Im schnellen Tempo streben die ternären Achtel in eine binäre Teilung. Das lässt sich nicht vermeiden und so entsteht eine „Zwischenstation“ der Achtel pro Grundschlag, die weder rein ternär noch rein binär ist. Dieser Effekt des Wanderns zwischen zwei Welten macht nicht nur den Reiz des frühen New Orleans R&B aus, sondern aller im Mikrotiming dreigeteilten Grooves.
Quellen: The Commandments Of Early Rhythm And Blues Drumming, Daniel Glaas, Zoro; Second Line 100 Years Of New Orleans Drumming, Antoon Aukes; Handbuch der populären Musik (Schott)