Stick on Stick Fill

Kurze Ausschmückungen eines Grooves werden auch als Fill bezeichnet. In diesem kurzen Beitrag geht es um einen „Stick on Stick Fill“ und darum, wie du diesen Effekt in einen Swing Groove einbauen kannst.

Stick on Stick Schlagtechnik

Mit „Stick on Stick“ ist eine Schlagtechnik gemeint. Der auf das Schlagfell gedrückte Stick wird mit dem anderen Stick angeschlagen. Es ensteht ein Doppelklang aus Trommel- und Holzanschlag. Ein überraschender Effekt, der einen Groove auflockert oder auch als eine bekräftigende Antwort auf eine Textzeile eingeworfen wird.

Der Stick on Stick Fill im Notenbild: Die 4-Und als Pressschlag im ersten Takt bildet den Übergang – oder auch die Einleitung – für den im zweiten Takt folgenden Fill.

Der Stick on Stick Trick demonstriert im Bild und als Audio in einem Swing Groove anzuhören

Stick on Stick Fills sorgen für Abwechslung in der Klangfarbe und sie „überraschen“. So wie hier in einem wilden Jungle Groove.

Stick on Stick Fill in einem „Jungle Groove“

Ich wünsche viel Spaß beim Ausprobieren, Verfeinern, Varieren und Swingen!

Christian W. Eggers – 27. November 2021 – christian@stompology.org (letzte Aktualisierung dieses Beitrags am 16. April 2022)

Berühmte Grooves – Jump Blues

Der Standard Wälzer Handbuch der populären Musik verzeichnet unter Jump Blues eine Mischung aus traditionellem Big Band Swing und Boogie Woogie. Jump Blues soll sich in den 40er Jahren als eigenständiger Musikstil entwickelt haben. Zahlreiche, inzwischen verkleinerte Band Besetzungen, konnten im Lärm der Kneipen und Lokale der in den Großstädten entwurzelt lebenden Industriearbeiter ihre tanzbaren Songs nur mit einem durchdringenden Gesangsstil, dem Blues Shouting, zu Gehör bringen. (1)

Aber auch der Beat war neu. Führten die Big Band Drummer kunstvoll, gleichsam einer Achterbahnfahrt, durch meist aufwendige Arrangements, beschränkten sich die nicht minder talentierten Schlagzeuger des Jump Blues auf den treibenden Beat. Druchgespielte Backbeats und Snare-Offbeats wurden Bestandteil des Jump Blues. Der Beat wurde steady. Zweifelsohne eine Entwicklung zum R&B, der später Rock ’n‘ Roll genannt wurde.

The Jump Blues Groove

Verbreiteter Basis Groove des Jump Blues

In den nachfolgenden wenigen Sekunden Handklatschen im Filmausschitt ist mehr über den Beat des Jump Blues zu erfahren als in tausend Büchern. (2)

Der Moderator der Sendung Show Time at The Apollo kündigt Big Joe Turner mit dem Paul Williams Orchestra an: Shake, Rattle & Roll! (3) Den vollständigen Auftritt kannst du auf YouTube ansehen. Das Handklatschen des Moderators bringt den Jump Blues Rhythmus auf den Punkt.
Der Basis Groove Shake, Rattle & Roll
Basis Groove mit Handklatschen
Verfeinerung des Grooves – Die 3-Und

In dem nachfolgenden kurzen Video-Ausschnitt Howlin‘ Wolf – Smokestack Lightning – Live 1964 kannst du hören und sehen, wie der Jump Blues Basis Groove durch einen „Zwischenschlag“ auf der Snare ein wenig mehr Bewegung erhält. Die jetzt eingefügte 3-Und wird ein wenig „gerader“ und damit weniger triolisch gespielt als die anderen Noten in diesem Groove.

Howlin‘ Wolf „Smokestack Lightning“ – Live 1964 – Reelin‘ In The Years Archives. (3) Das vollständige Video kannst du auf YouTube hier anschauen. Der Ausschnitt zeigt im Hintergrund, wie locker der Drummer die 3-Und in den Basis Groove einfließen lässt.
Noten des Basis Grooves hier etwas verfeinert mit einer dezenten 3-Und auf der Snare
Basis Groove – 3-Und auf der Snare
Weitere Variation des Basis Grooves in dem Song Smokestack Lightning – Auf der Zwei, Drei und Vier wird durchgehend „geshuffelt“
Der zweite Takt wird bis auf die Eins durchgehend mit „hüpfenden“ Achten auf der Snare gespielt

Jump Blues Grooves und Rock ’n‘ Roll

Die Umbenennung des R&B in Rock ’n‘ Roll war wohl ein Marketingtrick der Plattenindustrie. Dennoch veränderten Interpreten wie Bill Haley den Jump Blues auf ihre eigene Weise. Manchmal verwässert und süßlich, aber manchmal auch erfrischend neu und kraftvoll klingend. Ein Beispiel für Letzteres ist der Song Rock-A-Beatin‘ Boogie von Bill Haley and the Comets. Den Song kannst du hier auf YouTube anhören. Ab der Minute 1:30 taucht die nachfolgend notierte Figur des 2. Taktes regelmäßig auf.

Das Swing-Pattern wird statt auf dem Becken einfach auf der Snare gespielt (siehe 1 Drumset). Im zweiten Takt der Figur werden die 3-Und und die Vier besonders hervorgehoben.
Anatomie eines Jump Blues Grooves

Der Jump Blues Beat findet sich in einem aufregend dominanten Schlagzeug-Sound wieder. Das mag zunächst auch an der für die damalige Zeit harten Gangart der Drummer der Comets liegen. Hinzu kommt, dass Produzent Milt Gabler sich bei seinen ersten Aufnahmen mit Bill Haley am Jump Blues des ebenfalls bei Decca unter Vertrag stehenden „Vater des Jump Blues“ Louis Jordan orientiert haben soll. (4)

Eine Besonderheit der Spielweise der Drummer der Comets war es, die Backbeats mit der führenden Hand (zumeist die Rechte) kräftig auf der Snare zu spielen. Die Snare wurde vermutlich zusätzlich gesondert über einen Amp mit Reverb-Pegel verstärkt. Ein „durchschlagender“ Erfolg.

Der betonte 3-Und Zwischenschlag, gefolgt von einer noch stärker akzentuierten Vier mit nachfolgender Pause der 4-Und, wurde ein Erkennungszeichen der Bill Haley Grooves. Darüber hinaus hat die kraftvolle Backbeat-Spielweise dieser ursprünglichen Jump Blues Figur des „Black Music“ R&B zahlreiche nachfolgende Drummer inspiriert.

Christian W. Eggers – 4. November 2021 – christian@stompology.org (letzte Bearbeitung dieses Artikels 18. April 2022)

Quellenangaben

Berühmte Grooves – Ticket to Ride – The Beatles

Es gibt Songs, die der Entwicklung der Popmusik vorausgeeilt sind. Nicht einmal die Komponisten haben bei der Aufnahme an einen kommerziellen Erfolg geglaubt. Einer dieser Songs der Beatles ist Ticket to Ride (hier auf YouTube anhören). Die überraschend erfolgreiche Single wurde von den Beatles am 15. Februar 1965 in den Abbey Road Studios in London aufgenommen.

Der einflussreiche britische Musikkritiker Ian MacDonald beurteilte den Song als „psychologically deeper than anything the Beatles had recorded before“ und „extraordinary for its time“. (1)

In diesem 3-Minuten Song geht es um unerfüllte Liebe. John Lennon bringt seine Wut und Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass seine Liebste ihn verlässt. (2)

Das Cover der Single Ticket to Ride

Eine sehr ausführliche Auseinandersetzung mit Ticket to Ride hat Alan W. Pollack verfasst. In dem Artikel findet sich auch eine detailierte Beschreibung der Songstruktur.

Der Groove – Ticket to Ride

„Ringo Starr groovt in seiner eigenen Art, da die Rhythmen als kompositorischer Teil der Musik eingesetzt und musikdienlich mit Herz und Feeling gespielt wurden.“

Fachzeitschrift Sticks

Das Schlagzeug und und der Schellenkranz wurden von Ringo Starr eingespielt. Die für einen Pop-Song der damaligen Zeit ungewöhnliche und für den Song charakteristische Schlagzeug-Figur der Verse soll laut wikipedia die Idee von Paul McCartney gewesen sein.

Notation des berühmten Verse-Drumparts von Ticket to Ride – Dem Groove liegt ein leicht „triolisches“ Gefühl zu Grunde
Audio Ticket to Ride – Groove der Versehentlich
The Beatles Beat im Interlude: Der typische „gerade“ Achtel-Beat-Groove der 60er Jahre mit leicht geöffneter Hi-Hat
Audio Ticket to Ride – Groove der Zwischenspiele
Der Sechstolen-Fill
„Ich spiele es mit meinen Schultern“ – Ringo Starr erklärt, wie er Ticket to Ride trommelt

Hier kannst du Ringo Starr bei seiner („very cool from Liverpool“) Demonstration der Spielweise von Ticket to Ride zuschauen: YouTube

Der Drummer – Ringo Starr

Was gibt es Schöneres über eine Schlagzeugerin oder einen Schlagzeuger zu sagen, als das, was die Fachzeitschrift Sticks über Ringo Starr knapp bemerkt?

„Ringo Starr groovt in seiner eigenen Art, da die Rhythmen als kompositorischer Teil der Musik eingesetzt und musikdienlich mit Herz und Feeling gespielt wurden.“ (3)

Ringo Starr 1964 mit seinem berühmten Set des Schlagzeugherstellers Ludwig

Christian W. Eggers – 30. Oktober 2021 – christian@stompology.org (letzte Aktualisierung dieses Artikels: 7. November 2021)

Bild- und Textquellen

Beispiel der digitalen Bearbeitung analoger Schlagzeugaufnahmen

Mit diesem Artikel beschreibt Drummer-Kollege Beeble, wie man eine Tonbandaufnahme eines Schlagzeug-Grooves der 50er Jahre, den Bo Diddley Beat, mit digitalen Vintage-Tools bearbeiten kann. Die Beschreibung durfte ich freundlicherweise aus dem drummerforum.de übernehmen.

Zunächst hier der Groove, so wie er von mir mit einem Uher Report 4000 IC, mit nur einem Mikrofon über dem Schlagzeug aufgebaut, aufgenommen wurde.

Die Rohdatei des Bo Diddley Beats

Ausgangsmaterial und Analyse

Es folgt jetzt die Analyse zur Aufnahme von Beeble aus dem drummerforum.de:

Hier eine Statistik zu deiner rohen Aufnahme.

Die Aufnahme hat einen recht geringen Dynamikumfang und sollte für genügend Headroom zur Nachbearbeitung etwas niedriger ausgesteuert werden, also bei der Wandlung vom Tonband in den Rechner.
Geht aber gerade noch so. Wahrscheinlich bist du auch gut in die Bandsättigung gefahren, wie du versprochen hattest.


Ich habe versucht den Mulm etwas zu entfernen und die HH und allgemein die Hochmitten und Höhen etwas rauszuarbeiten.


Leider ist wahrscheinlich durch die Position des Mikros die BD etwas untergegangen. Aus dieser Monoaufnahme ist sie so gut wie nicht herauszuarbeiten.

Die digitale Bearbeitungskette

Das Signal wurde über einen Send zu einem IR Plate Reverb geschickt, so richtig vintage.

Das ist zwar ziemlich gefährlich und ein Kompromiss auf Kosten der Klangqualität zugunsten von etwas Raum.

Der Reverb bekommt noch einen EQ mit low-und high cut, um das Ganze nicht zu sehr zu vermüllen (jaja, nicht vintage, aber das konnte man damals auch schon).

Der Hall wurde dann auch noch mit einem LA2A komprimiert ( mein Lieblings-Röhrenkompressor).

Dann ging es in die Mastering Kette von Ozone: Zuerst durch einen Pulteq ähnlichen EQ
– da kommt dann schon die HH etwas noch oben.

Weiter gehts durch einen Vintage Kompressor – fängt etwas die Transienten ab und tut der HH und den Becken gut. Der arbeitet aber nur ganz minimal.

Dann ein Limiter, um die Spitzen abzufangen und ein Stereo Imager, welcher das Frequenzband (leicht) aufteilt und auf einen Stereokanal verteilt.
Der ist jetzt nicht vintage, aber gibt dem ganzen ein wenig Glitter und Klarheit.
Der Maximizer am Ende hat so gut wie keinen Einfluss auf den Klang und dient einzig dazu, dass nichts clippt.

Das Ergebnis der Bearbeitung

Das Ergebnis der digitalen Bearbeitung mit „Vintage“-Tools

Dank an den Autor der Analyse, der Bearbeitungsschritte sowie der Screenshots Beeble aus dem drummerforum.de

Christian W. Eggers – 27.10.2021

Berühmte Grooves – „I‘m Walking“ von Fats Domino

Einen weltweiten Hit hatte Fats Domino mit „I‘m Walking“. Der Beat dieses Songs besteht in einer Übertragung der Straßen-Parade Beats der New Orleans Brassbands („Blechkapellen“) in den Rock ’n‘ Roll. Schlagzeuger Earl Palmer war an der Verbreitung von „Second-Line Grooves“ als Bestandteil des Rock ’n‘ Roll maßgeblich beteiligt. Den Song aus dem Jahre 1957 kannst du hier anhören.

Das Intro beinhaltet auf beeindruckende Weise auf vier Takte (Zeilen 2 und 3) komprimiert wesentliche Elemente des Second Line Parade Drummings. Der Basis Groove (erste Notenzeile) kann auch mit den Handsätzen RR LL RR LL gespielt werden. (2)

Schlagmelodie im Intro

Was für ein großartiges Intro! In vier Takten hat Earl Palmer den Facettenreichtum des traditionellen New Orleans Parade Stils – gespielt auf der Bassdrum und der Hi-Hat – untergebracht. Zum Einüben der nicht so schnell zu behaltenden Schlagfolge des Intros (4 Takte) kann es hilfreich sein, sich die Schlagfolge von Bassdrum und getretener Hi-Hat zunächst duch Nachsingen einzuprägen und langsam mitzuspielen.

Die Lautmelodie des Intros von I’m Walking

Das dominate Handklatschen erfolgt auf den Hi-Hat Zeiten durchgehend auf der „Zwei“ und der „Vier“.

Hier 2x das Original-Intro -gespielt von Earl Palmer – stark verlangsamt zum Anhören. Deutlich wird die „triolische“ Spielweise dieser wunderbaren Schlagfolge. (3)

Basis Groove

Im Basis-Groove dominiert die marschartige Parade-Snare. Die Zählzeiten Zwei und Vier werden durch Snare-Akzente und die getretene Hi-Hat hervorgehoben.

Nicht zu verwechseln ist der Groove mit den „Train Beats„. Sie basieren mehr auf einem Country Musik Gefühl mit 16-tel Aufteilungen und einem Schwerpunkt auf der Eins und der Drei.

Der Basis Groove „I’m Walking“

Herkunft und Bedeutung

Der Schlagzeug-Part lässt sich in einer direkten Linie vom Second Line Parade Schlagzeug über den Jazz zum New Orleans R&B der 50er bis weit in die Gegenwart der Rockmusik verfolgen. Ein sehr bekanntes Beispiel für die Übernahme des Grooves und seiner Spielweise in den Rock der 70er Jahre ist in dem Song The Ballroom Blitz von der englischen Glamrock Band The Sweet (hier auf youtube) zu hören.

1991 war der Song in der Werbekampagne „Alles super!“ des Mineralölkonzerns Aral in einem inzwischen zum Kult-Werbespot erklärten Film (hier auf youtube) zu hören.

Der Drummer Earl Palmer

Palmer lieferte den Backbeat zu berühmten Songs wie „Tutti Frutti“ von Little Richard, „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“ von den Righteous Brothers oder „River Deep, Mountain High“ von Ike und Tina Turner. Mit Fats Domino nahm er „The Fat Man“ auf, mit Smiley Lewis „I Hear You Knockin’“. Er arbeitete auch mit so unterschiedlichen Künstlern wie Frank Sinatra, Neil Young und den Monkees zusammen. Little Richard schrieb in seiner Autobiografie über Palmer, er sei vielleicht der größte Session Drummer aller Zeiten.“ (4)

„1999 wurde Palmers Biographie „Backbeat: Earl Palmer’s Story“ veröffentlicht und 2000 wurde er in der Kategorie „Sidemen“ in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Palmer starb 83-jährig am 19. September 2008 in seinem Haus in Los Angeles. Der Rolling Stone listete Palmer 2016 auf Rang 25 der 100 besten Schlagzeuger aller Zeiten.“ (5)

Viel Freude am Entdecken dieses Grooves und immer daran denken, dass er mit ein wenig Swing-Gefühl gespielt werden sollte. Wenn das klappt, besteht Suchtgefahr.

Christian W. Eggers – 9. Oktober (letzte Aktualisierung am 9. Oktober 2021) christian@stompology.org

Quellen und Literaturtipp

Wer sich intensiver mit dem New Orleans Drumming befassen möchte, kann das hervorragende Buch von Antoon Aukes mit dem Titel Second Line – 100 Years Of New Orleans Drumming (Verlag C. L. Barnhouse) lesen. Wahrscheinlich das beste Fachbuch über historisches Schlagzeugspiel.