Vier Spielweisen der Swing Hi-Hat – Jazz, Blues und R&B

„Die Hi-Hat ist ein Teil eines Schlagzeugs und ermöglicht dem Schlagzeuger das Aneinanderschlagen von Becken in der Art der Paarbecken ohne Einsatz der Hände.“ (1)

Alles klar. Aber was ist eine Swing Hi-Hat und passt sie nur in die Musikrichtung Swing?

In einem älteren Beitrag wurde die Spielweise bereits beschrieben. Meist wird diese Art der Sound-Gestaltung des Schlagzeugs mit den Big Bands der 40er Jahre in Verbindung gebracht. Insbesondere mit dem Hit In The Mood von Glenn Miller in dem die Swing Hi-Hat zum Erkennungszeichen des Songs wurde.

Zur Erinnerung: „In the traditional swing hi-hat pattern, beats 1 and 3 are open – but the cymbals are still touching – and beats 2 and 4 are played with the cymbals closed. The closed sound can be achieved with your left foot or by using your left hand to mute the cymbals. The “let” of 2 and 4 are played with the cymbals held between open and closed. The complete swing pattern leads to the strong beats of 1 and 3.“ (2)
Der kleine Unterschied mit großer Wirkung: In der R&B Variante wird der Back-Beat (die Zwei und die Vier) nicht auf der Hi-Hat mit dem Stick gespielt. Es bleibt bei dem „Klick“ des Schließens der Hi-Hat mit dem Fuß auf der Zwei und der Vier. So ensteht viel Luft für den Back-Beat auf der Snare.
Beispiel Swing Hi-Hat ohne Back-Beat auf der Hi-Hat

R&B Variante der Swing Hi-Hat

Die Spielweise der Swing Hi-Hat geriet mit dem Sterben der Big Bands (Ende der 40er Jahre) in Musikproduktionen der nachfolgenden Jahrzehnte nicht in Vergessenheit. Die Swing Hi-Hat blieb über den Jump Blues bis weit in die 60er Jahre im frühen R&B, dem Rock ’n‘ Roll sowie auch in den Soul-Produktionen hörbar.

Im Unterschied zur Musikrichtung Swing, wird die Hi-Hat hier „zickiger“ und im Two-Beat Gefühl gespielt.

  • 1946 nahm Arthur „Big Boy“ Crudup den Song That’s All Right auf. Der Drummer begleitete den Song überwiegend auf der Hi-Hat, mit der er die Swing Hi-Hat Spieltechnik verband. Heute gilt der Song in zahlreichen Fachbeiträgen als die erste Rock ’n‘ Roll Aufnahme. (3) Der Song machte zehn Jahre später Elvis Presley berühmt
  • 1954 spielte Drummer Jesse Sailes eine Swing Hi-Hat in dem „Gangsta-Swing“ Riot In Cell Block #9 in der brachialen Version der Doo-Wop-Band The Robins
  • 1964 nahm Soul-Sänger Solomon Burke den Song Everybody Needs Somebody To Love auf und auch hier war die Swing Hi-Hat mit im Spiel
Charlie Watts brachte eine ähnliche Spielweise in die Musik der Rolling Stones ein und man kann sagen, dass die fehlenden Back-Beats des Sticks auf der Hi-Hat eines der „Markenzeichen“ von Charlie Watts wurden.

Shuffle Blues Variante der Swing Hi-Hat

Die Swing Hi-Hat Technik lässt sich nicht nur in die Swing-Schlagfolge (das Swing Pattern) integrieren. Einen vitalen Drive entwickelt die Swing Hi-Hat im moderaten Tempo eines Shuffle Blues. Auch in dieser Variante wird der Back-Beat auf den Becken nicht gespielt.

Besonders energisch wirkt diese Shuffle-Spielweise, wenn die Back Beats auf der Snare deutlich betont werden und die Bassdrum auf allen Vierteln gespielt wird.

Vorteile der Spielweise

Wo meist das Ride-Becken in triolischen Grooves strapaziert wird und der Beat in einem „Grundrauschen“ des meist lauten Ride-Beckens unpräzise zu werden droht, kann die Swing-Hi-Hat dem Groove das federnde Gefühl (bouncy feel) verleihen.

Die R&B Variante mit der hervorgehobenen Snare-Drum, erreicht durch das Weglassen des Stick-Anschlags der Hi-Hat auf der Zwei und der Vier, gibt dem Groove zusätzlich Tiefe durch Klang-Minimierung.

Ebenso verhält es sich mit dem hier vorgestellten Shuffle Blues: Die Back-Beats werden auf den Hi-Hat Becken weggelassen. Dabei wird die Bass-Drum auf allen vier Vierteln gespielt, was dem Groove einen vitalen R&B Einschlag verleiht.

Herausforderung Minimalismus

Meist wird danach gesucht möglichst viele technische Feinheiten – mit zahlreichen 16tel Schlägen – einem Groove hinzuzufügen. Weglassen von Gewohntem und lange zuvor Erlernten ist zunächst eine Anstrengung.

Zudem: Arme und Beine streben zur Gleichzeitigkeit einer Bewegung. Wenn über viele Jahre der Back-Beat auf der Hi-Hat wie selbstverständlich (mit) gespielt wurde, fällt es zunächst schwer ihn mit Gefühl „pausieren“ zu lassen und allein die Snare auf der Zwei und der Vier im 4/4tel Takt zu spielen.

Ich wünsche Spaß und Ideen zum Einsatz der Swing Hi-Hat. So ein Ding kann einem Groove ganz schön Dampf mitgeben.

Christian W. Eggers – 15. Oktober 2023 – christian@stompology.org – (Letzte Aktualisierung dieses Artikels am 21. Oktober 2023)

Bildnachweis

Charlie Watts: Titel des Bildes/Datei: Charlie Watts on drums The ABC & D of Boogie Woogie (2010).jpg; Original Bildunterschrift: Charlie Watts drums for his second band besides The Rolling Stones, The ABC&D of Boogie Woogie, in the Casino in Herisau, Switzerland on January 13th, 2010. Quelle: Poiseon Bild & Text (press photo by a photographer of the consulting company Poiseon AG in St. Gallen, Switzerland) Ursprungsquelle: https://www.flickr.com/photos/39023078@N07/4274215482 via wikimedia; Autor: Poiseon Bild & Text, Lizenz via wikimedia: Creative Commons Attribution 2.0

Quellen und Anmerkungen

  • (1) https://de.wikipedia.org/wiki/Hi-Hat
  • (2) Focus on the Hi-Hat: The Classic Swing Sound (VIDEO); Fidyk, Steve; Modern Drummer; 31st Jan 2012
  • (3) Trotz unterschiedlicher Einschätzungen und Behauptungen der Musikhistoriker und Musikhistorikerinnen über den Zeitpunkt und Produzenten der „ersten Rock ’n‘ Roll Aufnahme“ besteht Einigkeit darüber, dass mit dem Song ein neuer Akzent in den Blues jenseits der Boogie-Spielweise gelangte.

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