Berühmte Grooves – Rock Around the Clock

»Ich saß neben den beiden Toningenieuren und bedeutete ihnen mit meiner Zigarre die Regler weiter nach oben zu schieben. Das war das erste Mal, dass eine Schallplatte bis in den roten Bereich ausgesteuert wurde.« Gemeint ist die Aufnahme Rock Around the Clock von Bill Haley & His Comets. Manager James E. („Jim“) Myers beschrieb diese Szene, wie sie sich Hollywood nicht besser hätte ausdenken können. (1)

Rock Around The Clock · Bill Haley & His Comets – Provided to YouTube by Universal Music Group

Welche Entfesselungskräfte in seiner Musik schlummern, können Bill Haley und Jazz-Produzent Milt Gabler nicht ahnen, als sie Rock Around the Clock am 20. Mai 1954 veröffentlichen. Sonst wäre das zwei Minuten und acht Sekunden lange Stück, mit über 200 Millionen verkauften Einheiten einschließlich aller Cover-Versionen der bis heute meistverkaufte Rock-Song aller Zeiten, nicht zunächst auf der B-Seite einer Vinyl-Single versteckt worden. (2)

Bill Haleys Version von Rock Around the Clock gerät zu einem Moment puren Genies, der das Feuer und das Drama dieser Musik für alle Zeiten konserviert.

Haley-Biograf John Swenson

Bill Haley selbst muss ein bescheidener Mann gewesen sein. „Wenn ich eine Dixieland-Melodie nehme und den ersten und dritten Rhythmus-Schlag weglasse, dafür aber den zweiten und vierten betone und einen Beat dazugebe, nach dem die Zuhörer klatschen oder auch tanzen können – das wäre dann genau nach ihren Wünschen. Dann nahm ich alltägliche Redewendungen wie ‚Crazy Man, Crazy‘, ‚See You Later, Alligator‘ oder ‚Shake, Rattle and Roll‘ und machte nach der geschilderten Methode Songs daraus.“ So schlicht erklärte Bill Haley seinen Erfolg später dem Fan-Magazin Haley News.

Spielweise des Grooves

Erstaunlicherweise ist angesichts der Bedeutung der Aufnahme für die Musikgeschichte wenig überliefert, wie der Drum Groove zustande gekommen ist. Über das „klackern“ der Saiten des Contrabasses (Slap-Technik) bis hin zur Vermutung von nachträglichen Overdubs der markanten und den Groove prägenden Shuffle-Figur im Woodblock-Sound: alles Spekulationen, die nicht wirklich helfen den Groove am Schlagzeug umzusetzen.

Viele Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger „hängen“ sich bei diesem Song in das Ride Becken. Das ist nicht so elegant und nimmt dem Song das Achtel-Shuffle-Gefühl. Im Zusammenspiel mit der Band funktioniert die hier gezeigte „hüpfende“ 2-taktige Figur mit den überraschenden Snare-Akzenten im zweiten Takt sehr spannungsreich.

Notiert und nachgespielt ist hier daher das, was in der von der Plattenfirma autorisierten Abmischung zu hören ist. Ohne Anspruch auf historische Richtigkeit.

Der Vorschlag zum Spielen des Basis-Grooves zeigt eine Kombination von Schlägen auf dem Woodblock (Alternativ „Rim of Snare“) und der Snare.

Bassdrum und Hi-Hat werden in der üblichen Four-Beat-Kombination gespielt. Markenzeichen des Drummers Billy Gussak in der Zusammenarbeit mit Bill Haley war der unerwartet überlaute Akzent auf der 3-Und gefolgt von einem Akzent auf der Zählzeit 4. Diese kraftvolle Spielweise wurde von Bill Haleys Tour-Drummer Dick Richards übernommen.

Steigerung der Intensität zum Ende des Songs mit Backbeats auf der Snare
Das Sticking für Rechtshänder. Wie im Swing üblich, wird der 3-Und Zwischenschlag im zweiten Takt der Basis mit der Linken gespielt
Ein Chorus „Rock Around the Clock“ – Die Akkordfolge entspricht dem Bluesschema. Die Offbeat-Akzente der Gitarre werden parallel zu der im Original enthaltenen Saxophon-Phrasierung gespielt

Die oben gezeigte Figur im Zusammenspiel der Band wurde abweichend von der Notation auf dem Spannreifen der Snare gespielt.

Im Grunde besteht der Groove in einer Fortführung der bis dahin unter dem Begriff „Jump Blues“ bekannten Spielweisen der Bands der amerikanischen Großstädte. Extrem gut tanzbar, laut, Backbeat fixiert und befreit von den komplizierten Feinheiten der Big Band Arrangements.

„Bill Haley and his Comets in the 1954 Universal International film Roundup Of Rhythm“ Lizenz, Autor und Quelle via wikimedia: „Unknown author – This image was provided with the friendly permission by Mr. Klau Klettner from Hydra Records“

Sound des Grooves

Auffallend ist der kräftige Nachklang der Snare Drum. Hier wird wahrscheinlich das Beste der amerikanischen Studiotechnik der 50er Jahre zum Einsatz gekommen sein. Lässt sich der Halleffekt mit einfachen Mitteln imitieren? Ohne Software? Ja, das geht! (siehe hier „Retro Hall der Snare Drum“)

Das hözerne „Shuffle-Klackern“ kann mit einem Woodblock oder auch „Rim of Snare“ erzeugt werden

Interssant ist der Snare Hall besonders im Kontrast zum weniger verhallten Woodblock. Damit kommt der Klang des Grooves schon sehr dicht an das Original heran.

Ich wünsche viel Spaß beim Ausprobieren und Losfetzen im Bill Haley Sound. Am besten mit einer guten Band.

Christian W. Eggers – 19. März 2022 – christian@stompology.org – (Letzte Aktualisierung dieses Artikels am 2. Oktober 2022)

Quellen

Veröffentlicht von Christian W. Eggers

Drummer aus Kiel in Schleswig-Holstein. "Drummer machen Fehler, die meistens laut sind."

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