Wer sich die Mühe macht, die erste Studio-Aufnahme der Beatles des Songs Love Me Do anzuhören, wird vermutlich staunen. Die Probeaufnahme vom 6. Juni 1962 lies nicht erkennen, dass diese Band jemals in die Lage kommen würde, Wellen der Bewunderung auszulösen.

Schon wenige Monate nach der im Timing wackeligen und gesanglich schiefen Probeaufnahme sollte unter Einfluss des Produzenten George Martin eine weitere Aufnahme desselben Songs folgen. Das klang schon ganz anders.
Love Me Do wurde der erste Hit der Beatles. In den nachfolgenden Jahren landeten die Beatles 20 Nummer-Eins-Singles in den Billboard Hot 100 Charts. (1)
Musikgeschichtliche Bedeutung des Songs
Der Musikwissenschaftler Peter Wicke erblickt den Erfolg der Beatles mit dem Song Love Me Do in der Vermittlung eines neuen Grundverständnisses zur populären Musik: “Bemerkenswert war an dieser Aufnahme, dass sie die bis dahin konsequent behaupteten professionellen Standards in der Musikproduktion hörbar durchbrach. Hier hatten Jugendliche im Studio gestanden, die mit ihrer naiven Unbekümmertheit und der enthusiastischen Unbedarftheit den Routiniers des musikalischen Unterhaltungsbetriebs Paroli boten.” (2)
Die Drummer
Über das Schlagzeugspiel des Songs Love Me Do und die drei Drummer inklusive des Beitrags von Ringo Starr ranken sich zahlreiche Geschichten.
Als gesichert gilt: Kurze Zeit nach der Probeaufnahme wurde der bisherige Beatles-Drummer Pete Best durch Ringo Starr ersetzt. Darauf folgte am 4. September 1962 die zweite Aufnahme von Love Me Do mit Ringo Starr und am 11. September 1962 eine Aufnahme mit dem erfahrenen Session-Drummer Andy White und Ringo Starr am Tamburin. (3)
Beide Versionen, die mit Ringo Starr am Schlagzeug sowie auch die Aufnahme mit Studio-Drummer Andy White, wurden veröffentlicht.
Der Song und sein Drumpart
Love Me Do ist in der bewährten AABA Songform aufgebaut. (4) Es gibt also einen B-Teil (die Bridge), der in diesem Song jedoch nicht auffällig von dem Basis-Groove der A-Teile abweicht.

Ein neuer Beat
Bisher bestand der Drumpart der unter dem Begriff Mersey-Sound vermarkteten Songs der Bands um und aus Liverpool häufig in einem binären, verflachten US-Surf-Beat, der sich in 4/4 Takten auf unakzentuierte Achtel-Schläge auf den Becken konzentrierte und die Backbeats der Zählzeiten Zwei und Vier mit wenig Energie vorgab.
Mit dieser Spielweise konnte der Song nicht begleitet werden. Denn der Rhythmus der Gitarren swingt. Das war für den Mersey-Sound schon ungewöhnlich. Man könnte versucht sein, den Song am Schlagzeug einfach mit dem Basis-Swing Pattern zu begleiten. So wie es sich in tausenden Songs des R&B und des frühen Rock’n’Roll bewährt hatte. Das funktioniert auch.
Jedoch klingt das Schlagzeug dann ein wenig aus der Zeit gefallen. Das jazzige Swing Pattern fügt sich nicht so recht mit dem Beat der Gitarren und der Phrasierung des Gesangs zusammen.
Ringo Starr und Studio-Drummer Andy White griffen unter der Regie des Produzenten George Martin vielleicht deshalb nicht in die oben beschriebenen Schlagfolgen aus den Schubladen Surfbeat und Swing Pattern. Es bedurfte einer „eigenen“ Spielweise, eng an den Beat der Rhythmus-Gitarre gekoppelt.
Keep it simple
Der Basis-Groove von Love Me Do folgt konsequent der „Idee“ des Songs.
Die Schlagzeugfigur wird an die Mundharmonika-Melodie mit ihrer Phrasierung sowie die hierzu synchronen Anschläge der Rhythmusgitarre angelehnt: „Dieee-daaaa-deeee-(did)-Dad-De-dad-(de)„

Fazit
Das Schlagzeug inklusive Tamburin ist hier nicht nur „Zeithalter“. Es ist das Instrument, das einem freundlichen Tin Pan Alley Schlager einen bisher nicht gehörten frischen „Dreh“ verleiht. Gespielt wird der Groove mit der Autorität eines Big Band Drummers. Ein Vorbote des modernen Rock-Schlagzeugs.
Mit der Reduktion der swingenden Basis auf Viertel-Schläge sowie den 2-Und Offbeats, wirkt der Rhythmus gegenüber bisheriger Spielweisen der 50er und frühen 60er Jahre neuartig. Die Beschränkung auf das Wenige mit einer dennoch komplexen rhythmischen Figur im Zusammenspiel mit der Band braucht Konzentration zum Erhalt der leicht swingenden Spannung.
Dank an die Schlagzeugerinnen und Schlagzeugern, die im drummerforum.de anregende Beiträge zum Song Love Me Do geschrieben haben.
Ich wünsche viel Freude beim Ausprobieren und Experimentieren!
Christian W. Eggers – christian@stompology.org – 18. Januar 2025 (letzte Aktualisierung dieses Beitrags am 18. Januar 2025)
Bildnachweise und Quellen
- (1) http://www.statista-com
- (2) https://songlexikon.de/songs/lovemedo/
- (3) wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Love_Me_Do
- (4) Zur Songform: https://musikanalyse.net/tutorials/formfunktion-bridge/
- Titelfoto: despoticlick/pixabay, Website, pixabay-Lizenz
- Beatles Plattencover: Parlophone
- Ludwig Drumset: Autor doryfour – Titel des Bildes: Beatles drumset – Quelle: Flickr via wikipedia – Lizenz: CC BY-SA 2.0

















