In der Vorbemerkung der Autoren des Songbook The Rolling Stones („Die Bibel“) des ehemaligen Verlages der 68er-Generation Zweitausendeins aus dem Jahre 1977 heißt es: „It’s only Rock ’n‘ Roll, but we like it…, dennoch: Leicht isses nich…“.
Dieser Eindruck mag sich bei dem genaueren Anhören des Songs Get Off of My Cloud der Rolling Stones bestätigen. (Link zum Song)

Intro und Groove
„Die zweite Nummer-1-Single der Stones nach (I Can’t get No) Satisfaction überrascht und begeistert mit einem fordernden, monotonen Schlagzeug-Muster, das man in einem derart erfolgreichen Song dieser Art so nicht noch mal zu hören bekommt. Strikt dem 4/4-Takt ergeben, reichert er (gemeint ist Charlie Watts; Anmerkung des Autors) den griffigen Song mit jeder Menge Fills an und lässt sich den gesamten Song über nicht mal ansatzweise aus der Ruhe bringen.“ (1)
Basis Groove der Strophen
Im ersten Takt der Basis Figur der Strohen spielt Charlie Watts eine Schlagfolge, die sehr typisch für die englische „Beatmusik“ der 60er Jahre ist. Auf der „Vier-Und“ wird einfach ein Snare-Schlag den üblichen 4/4-Takt Backbeats hinzugefügt. Auf der Zählzeit „Drei“ folgt dann der markante 16-tel Roll, den Charly Watts auch in vielen anderen Songs spielt.
Die Zählzeit Vier im zweiten Takt des Intros
Das eingängige Intro beinhaltet auch gleich den Basis Groove der Strophen; mit einer kleinen Veränderung gegenüber dem Basis Groove auf der Zählzeit „Vier“ im zweiten Takt (siehe nachfolgende Notation, Zeile 2).
Ob die 32-tel Bassdrum-Snare-Figur gewollt oder als ungewollter Fehler zu hören ist, wird unterschiedlich beurteilt. Siehe Diskussion im drummerforum.de ab Beitrag #7. (2)
Zur Verdeutlichung ist die nachfolgende Aufnahme des Originals in der Wiedergabe stark verlangsamt. (3)
Für die Annahme, dass die Snare Bassdrum 32-tel Spielweise gewollt und kein Spielfehler ist, spricht, dass sie auch im vierten Takt des Songs auftaucht. In dem Original-Tempo mit 126 bpm ist es mir nicht gelungen die Figur zufriedenstellend zu reproduzieren.

Basis Groove des Refrains
Der in der Notation sehr einfach aussehende Groove des Refrains (in der Grafik unter Punkt 3) ist identisch mit dem des Songs Satisfaction. Wirkungsvoll ist in der Studio-Aufnahme das Händeklatschen auf den Grundschlägen hinzugefügt. Im Übergang zur Strophe wird die Intensität zusätzlich durch die Bassdrum im Achtel-Beat gesteigert.
Der Beat darf leicht „flamen“, damit die Schlagfolge nicht zu steril klingt.
Der Drummer – Charlie Watts
„Nach dem Ausstieg Chapmans umwarb die Band (gemeint sind die Rolling Stones; Anmerkung des Autors) den Jazz-Schlagzeuger Charlie Watts, der kurz zuvor Blues Incorporated verlassen hatte, da er sich als nicht gut genug empfand, um mit solch ausgezeichneten Künstlern zusammenzuspielen. Trotz seiner musikalischen Vorbehalte gelang es, den zögernden Watts, der zunächst hauptberuflich als Grafiker weiterarbeitete, vom Einstieg in die Band zu überzeugen. Am 12. Januar 1963 traten sie erstmals mit ihrem neuen Drummer im Ealing Jazz Club auf.“ (4)

„Und wenn er auf der Hi-Hat die Ride-Pattern spielt, dann arbeitet er gerade schlampig genug, damit sein eigener Sound vollkommen mit den schmutzigen Gitarrenklängen verschmilzt. Alles was Charlie Watts spielt ist durchtränkt von seinem Swing-Feeling … viele Typen haben gute Hände, aber es ist, als würde alles was sie spielen den Bach runter gehen, als würde es niemals abheben. Bei Charlie Watts stellst du plötzlich fest, dass du ein paar Zentimeter über dem Boden schwebst!“
Keith Richards über Charlie Watts (6)
Typisch Charlie Watts – Die „fehlenden“ Hi-Hat Backbeats
Eine Eigenart von Charlie Watts ist es, in einigen Songs in den 4/4-Takten die Hi-Hat auf den Zeiten „Zwei“ und „Vier“ pausieren zu lassen. Wo kommt das her? Verbreitet ist diese Spielweise im traditionellen Boogie Woogie. Ausgangspunkt ist der Boogie-Groove (RRLR) auf der Snare. Wird nun der Boogie-Groove in der Variation auf der Hi-Hat und auf der Snare gespielt, haben Pioniere des frühen R&B Drummings gerne den Anschlag der „Zwei“ und der „Vier“ auf den Hi-Hat Becken ausgelassen. (7)
Aktualisierung vom 25. August 2021: Charlie Watts ist am 24. August 2021 im Alter von 80 Jahren verstorben.
Dank für die hilfreichen Hinweise und Diskussionen aus dem drummerforum.de und viel Freude beim Ausprobieren und Experimentieren!
Christian W. Eggers – 18. August 2021 (letzte Aktualisierung am 25. August 2021) christian@stompology.org
Quellen und Bildnachweis
- (1) Dicover: Zum 80. von Charlie Watts: Die 9 besten Schlagzeug-Momente der Stones-Lokomotive
- (2) Diskussion https://www.drummerforum.de/forum/thread/90903-charlie-watts-durch-steve-jordan-auf-tour-ersetzt/ Autor der Notation zum Intro: Chuck Boom Moderator Beitrag #15 Anhang
- (3) Audio-Zitat stark verlangsamt: The Rolling Stones – Get Off Of My Cloud (Official Lyric Video) auf YouTube
- (4) Wikipedia über die Rolling Stones
- (5) Bildnachweis „Charlie Watts“: Poiseon Bild & Text (press photo by a photographer of the consulting company Poiseon AG in St. Gallen, Switzerland)) – Flickr: The ABC & D of Boogie Woogie (Herisau, 13. Januar 2010) via wikipedia Lizenz: CC BY 2.0
- (6) https://www.sticks.de/thema/charlie-watts/
- (7) Diskussion mit Charlie Watts, der aber nichts dazu sagt. 🙂 „Charlie Watts‘ Hi-Hat Story“ https://www.youtube.com/watch?v=CrAQQZi1Jf4&t=7s