Famous Grooves – Jamaican Ska

Rhythmus allein kann schon Musik sein. Werden verschiedene rhythmische Auffassungen und Klänge im Zusammenspiel in einem Song vereint, entsteht eine Rhythmus-Symphonie. Genau dieses passiert häufig im Zusammenspiel der Musikerinnen und Musiker der Karibik.

Landkarte Jamaika – Einwanderung und die Entwicklung der Musikstile. Jamaika-Musik besteht aus verschieden kulturellen Einflüssen. Diese sind nicht scharf voneinander abgrenzbar.
Zur Einstimmung ein Shuffle im „karibischen Gefühl“ – Noten siehe unter „Variationen des Grooves“.
Das Zusammenspiel bildet einen karibischen Groove

So lässt sich auch erklären, dass es schwer ist „den karibischen Rhythmus“ zu beschreiben. Jeder hört etwas anderes als Schwerpunkt heraus. Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger werden vielleicht nur ihren Part als Zentrum einer Rhythmik für entscheidend halten. Gitarristen wiederum konzentrieren sich auf betonte Akkord-Anschläge der „Und-Zeiten“ und werden sie für die stilprägende Rhythmik des Ska benennen. Die Congas und Bongos haben vielleicht die Zwei und die Vier als Metrum und der Bass wandert von einem zum anderen Beat.

Das Bild „einer Rhythmik-Stilistik“ bleibt unvollständig, wenn sie allein aus der Auffassung eines einzelnen Instrumentalisten betrachtet wird.

Im Bewusstsein dieser Unvollständigkeit möchte ich am Beispiel des Songs Israelites des jamaikanischen Musikers Desmond Dekker die Schlagzeug-Rhythmik der ab den 60er Jahren unter Ska international vermarkteten jamaikanischen Songs vorstellen.    

Der Song – „Israelites“ und der Sänger

„Angefangen hatte Dekker 1961 in den Kingstoner Studios der großen Produzenten Coxone Dodd und Duke Reid. Ska war das neue große Ding auf der Insel und der junge Sänger einer seiner Stars.“ (1)

Den Song Israelites kannst du hier auf YouTube anhöern.

Der Song Israelites wurde 1968 mit den Aces in Kingston/Jamaica im kleinen Tonstudio des chinesisch-jamaikanischen Produzenten und Mitkomponisten Leslie Kong unter dem Ursprungstitel Poor Me Israelite aufgenommen. Auf Jamaika wurde der Titel im Oktober 1968 zunächst unter Kongs Label Beverley’s Records veröffentlicht. International vermarktet durch Lizenznehmer-Labels erschien der Titel als „The Israelites„.

Ein Streit mit Folgen – Die Geschichte des Songs

„Gegenüber der britischen Zeitung Metro erinnerte sich der Musiker, wie der Song damals in Kingston Town entstanden ist: Das ging ganz schnell. Ich hab das Lied nicht am Klavier komponiert oder mit einer Gitarre. Ich ging im Park spazieren, aß Mais und beobachtete ein sich streitendes Pärchen. Es ging ums Geld – sie wollte mehr haben, und er sagte, er verdiene nun mal nicht genug. Und plötzlich fing ich an zu singen: ‚Ich stehe morgens auf und schufte wie ein Sklave für etwas Brot‚. “ (2) In jamaikanischer Umgangssprache steht Israelites für Leiden, Armut und Hunger. (3)

Die Komposition

„Das Tempo des Songs beträgt bei Alla-breve-Zählweise 148 bpm. Die Tonart ist B-Dur (amerikanisch Bb major). Harmonisch beruht das Lied auf einer einfachen Dur-Kadenz. Ungewöhnlich ist jedoch die Verwendung des leiterfremden Akkordes Des-Dur am Ende jeder Phrase (also im Turnaround). Diese Stelle wird zusätzlich besonders akzentuiert durch die von Lead-Gitarre und E-Bass als schneller unisonoLauf gespielte Des-Dur-Tonleiter aufwärts.“ (4)

Der Groove

Der Song ist in 4/4-Takte unterteilt und hat das Tempo von ca. 148 bpm. Genau genommen sind zwei Schlagwerk-Grooves zu hören.

Track 1 zur Notengrafik: Die Groove-Melodie langsam zum Einüben
Track 2 zur Noten-Grafik: Der Basis-Groove des Songs „Israelites“. Er wurde in der Originalaufnahme sehr weit in den Hintergrund gemixt und durch die mehr binären Shaker-Achtel überlagert.
Shaker-Groove

Deutlich „nach vorne gemischt“ sind gerade gespielte Achtel als „Tschick“-Laute: „Tsch-icke-Tsch-icke-Tsch-icke-Tsch-icke“ zu hören. Dieser Groove kann mittels Eggshaker, Maracas oder einer Cabasa mit Metallkugelketten erzeugt werden.

Drumset-Groove – „One Drop“

Nicht sofort erschließt sich der leise gehaltene Drum-Groove. Interessant ist, dass der Groove mit einem leichten Swing-Feeling gespielt wird. Das ist besonders reizvoll, da im Part des Shakers die „gerade“ Spielweise dominat ist.

Der mit den Sticks gespielte Basis-Groove am Schlagzeug besteht in einer Figur, die aus dem Half-Time Shuffle (Notation) bekannt ist: Mit der rechten Hand werden auf der geschlossenen Hi-Hat die Achtel „durchgespielt“. Auf der Drei erfolgt ein Snare-Schlag.

Schlagzeugnoten zu dem Song „Israelites“ von Desmond Dekker.

Abweichend vom Half-Time Shuffle wird die Bassdrum nicht auf der Eins, sondern einzig auf der Drei gespielt. Diese Spielweise wird heute als „One Drop“ bezeichnet. Zusätzlich in erklingt in Israelites auf der Vier-Und ein weiterer Snare-Schlag (Sidestick). In diesem Groove werden auf der Snare die Zeiten „Drei“ und „Vier-Und“ leise als Cross Sticks gespielt. Ein feiner Groove, der im Zusammenspiel mit der Band viel Bewegung schafft, aber dabei entspannt und fröhlich klingt. (5)

Hi-Hat- und Groove-Variationen

Auf der Zwei-Und wird die Hi-Hat leicht geöffnet und auf der Drei mit dem Fuß geschlossen (synchron zum Cross Stick Schlag und der Bassdrum). Im Song wird die Variation ohne Regelmäßigkeit gespielt.

Track 3 aus der obigen Grafik: Die Hi-Hat wird auf der Zwei-Und geöffnet und auf der Drei geschlossen. Im Prinzip funktioniert das wie bei der Swing-Hi-Hat. Siehe hier. Nur eben auf der Zeit „Drei“.

Variation des Grooves

Im Basis Groove des Songs Israelites des Songs werden die 3 sowie die 4-Und hervorgehoben. Abweichend vom Israelites Groove werden in dieser Variation zum Jamaica Shuffle die 2-Und sowie die Vier mit dem Cross Stick gespielt.

Noten zur Groove-Variation: Hi-Hat auf 2-Und öffnen und Cross Stick auf 2-Und, Bassdrum und Hi-Hat schließen auf der Drei, Cross Stick auf der Vier.
Audio zur oben im Notenbild gezeigten Groove-Variation.

Jamaican Ska einüben

Wenn auch als Reggae-Übung betitelt, so zeigt dieses hervorragende Lehrvideo von „Drumeo“ (6) eine grundlegende Sache für die Rhythmen, die auf Jamaika am Schlagzeug gespielt wurden, bevor es die Bezeichnung Reggae gab.

Calm down, swing and don’t overplay!

Jamaican Ska ist nicht Ska-Rock oder Ska-Punk

Die Band und der Drummer

Begleitet wurde Dekker von der Band The Aces, einem Gesangsquartett bestehend aus den Brüdern Carl, Clive, Barry und Patrick Howard. Zusammen landeten sie in den 60er Jahren unzählige Hits auf Jamaika, unter anderem „Mount Zion“ und „This Woman“. (7) Über den Schlagzeuger Leroy Green ist nur in Erfahrung zu bringen, dass er in England lebt und auch die Musiker Delroy Wilson and Dawn Penn begleitete. (8)

Christian W. Eggers – 11. Juni 2021 – (letzte Aktualisierung am 13. Juni 2021) – christian@stompology.org

Hörtipp: Mento wird kaum noch gespielt. Aber eine Band, bestehend aus älteren Herren, ist sehr erfolgreich damit: The Jolly Boys hier mit ihrem Song Big Bamboo

Quellen

  

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