Hausdurchsuchung bei den Rolling Stones, Szenen des Hipster-Films Blow Up zensiert und die Beatles erhalten Morddrohungen, weil sie sich angeblich für wichtiger als Jesus halten: Fast scheint es so, als kommt die zweite Hälfte der Swinging Sixties ein wenig aus dem Takt. Da kommt 1967 der Song des schottischen Musikers Donovan über einen geheimen Glücksbringer Mellow Yellow gerade richtig. Mellow Yellow von Donovan kannst Du auf YouTube anhören.
Der Song
Das Musikmagazin Cash Box bezeichnete Mellow Yellow als „easy-going, sophisticated blues number which should be a giant.” Sogar dem amerikanischen Publikum hat der Song des schottischen Folk-Musikers gefallen. Mellow Yellow erreichte Nummer 2 der Billboard Hot 100. (1)
Vielleicht ist es die verblüffende Einfachheit, die nicht aus der Not, sondern mit kalkulierter Reduktion durch den Produzenten Mickie Most einen Klassiker der Popmusik entstehen lassen ließ.
Der ewige Hippie
Der junge Donovan wollte eigentlich ein Jazz-Drummer werden: „Mit 14 Jahren spielte ich dann Schlagzeug. Nicht in einer Band, sondern nur für mich selbst und ich wollte unbedingt Jazz-Drummer werden. Mein Vater besaß Aufnahmen von Gene Krupa vom berühmten Carnegie Hall Konzert in 1938; ich hörte sie mir immer wieder an und wusste, dass dies mein Ziel war.“ (2) Zum Glück ist es anders gekommen.
Für seine Studioproduktionen setzte Donovan bevorzugt gestandene Jazz-Drummer ein. Die waren dabei wahrscheinlich weniger technisch als mehr mit dem Weglassen gefordert.
Der Gitarren-Groove
Der Groove des Songs ist durch Donovans perkussives, sparsames und enorm präzises Gitarrenspiel geprägt. Dem Schlagzeug kommt keine besondere Bedeutung bei der rhythmischen Gestaltung des Songs zu.
Es klingt so einfach: „Tack-Tack-Tack-Tack“ ohne Ausklang der vier Akkorde. Schnell ist man versucht die Viertel als binären Marsch „herunterzuschrubben“. Das geht schief. Der Song verliert sein beschwingtes Flair.
Werden aber die Akkordanschläge im ursprünglichen moderaten Tempo von 110 bpm als erste Achtel einer Achteltriole aufgefasst („Tri-Oh-La“), entsteht ein leichtes Rollen, so wie im Blues-Rock bei ausgespielten Achteltriolen im 6/8-Gefühl. Und schon machen die vier einzelnen Anschläge pro Takt Spaß. Nämlich durch das, was nicht gespielt wird. Die pausierenden Triolenachtel sind der Kitt, der den hörbaren Anschlägen erst Leichtigkeit und etwas Geheimnisvolles verleiht.
Der Drummer Bobby Orr
Häufig ist zu lesen, dass die englische Beat-Szene, im Gegensatz zur US-amerikanischen Musikindustrie, auf nicht sonderlich kompetente Schlagzeuger zurückgreifen konnte. Der Schotte Bobby Orr gehörte zu den zahlreichen hervorragend ausgebildeten Studiomusikern, die nie vom Publikum (und von der Fachpresse wenig) wahrgenommen wurden.
Nicht einmal Bobby Orr konnte sich erinnern, welchen berühmten Songs er seinen Beat verliehen hat. Eine Würdigung dieses international erfolgreichen Drummers findet sich, etwas versteckt, auf der Unternehmenswebsite des Schlagzeugherstellers Gretsch. (3)
Ich wünsche viel Freude beim Entdecken und Wiederentdecken der Swinging Sixties mit ihren aufregenden Musikproduktionen und den zahlreichen bekannten und unbekannten Musikerinnen und Musikern.
Christian W. Eggers – 11. September 2022 (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 11. September 2022) christian@stompology.org
Quellen
- (1) Wikipedia über Mellow Yellow
- (2) OXMOX Interview: Donovan: “The Bohemian Manifesto”
- (3) Gretsch Unternehmenswebsite; „Remembering Bobby Orr“: https://www.gretsch.com/2021/01/remembering-bobby-orr/
Bildnachweise
- Titel/Teaser: Cover/ Inlay „Mellow Yellow“, Epic
- Aufbau des Songs: Ch. Eggers