Famous Grooves – Be My Baby

Hollywood war nicht nur der Tatort gewalttätiger Filmproduzenten. Träume und Albträume vermischten sich auch im berühmten Gold Star Tonstudio. Der Kulturbetrieb, und nicht allein der US-amerikanische, entlarvt sich spätestens dann vollständig zur Farce, wenn sich, wie im Falle des Produzenten und Komponisten Phil Spector, herausstellt, dass der für seine große Begabung und Einfühlung gelobte Künstler Freude daran hatte, Menschen zu quälen.

Wall of Sound

Phil Spector erschuf mit dem Song Be My Baby 1963 ein euphorisches Liebeslied, welches in der Liste des Rolling Stone der 500 besten Songs aller Zeiten Platz 22 erreichte und als Produktion neue Maßstäbe für die Popmusik setzte.

Phil Spector beschäftigte in den frühen 60er Jahren die Studio-Band „The Wrecking Crew“. Sie waren die Musiker, die die „Wall of Sound“ in den Gold Star Studios in Hollywood verwirklichten. Hier im Bild: Don Randi, Al De Lory, Carol Kaye, Bill Pitman, Tommy Tedesco, Irving Rubins, Roy Caton, Jay Migliori, Hal Blaine, Steve Douglas, und Ray Pohlman.

Hierzu trug der für damalige Gewohnheiten bombastische Schlagzeugklang bei. Spector soll extrem großen Wert auf das Schlagzeug gelegt haben. Für Be My Baby mit den Ronettes heuerte er gleich zwei der besten amerikanischen Rock‘n Roll Drummer an: Hal Blaine und Earl Palmer. Als Mitglieder der Wrecking Crew, einem Zusammenschluss von Musikern zu einer Studio-Band, waren Blaine und Palmer an nahezu jeder amerikanischen Hit-Produktion der 50er und 60er Jahre beteiligt.

Der Groove

Der Basis-Rhythmus der Band basiert auf einem Achtel-Latin-Feel mit den Betonungen auf der Eins, der Zwei-Und und der Vier. Vieleicht kam der Produzent auch deshalb auf die Idee Kastagnetten einzustezen. Damit der Groove nicht „süßlich“ baladenhaft verschwimmt, werden die Akkorde nicht weich intoniert.

Wie eingangs erwähnt: Spector wünschte einen dominaten Schlagzeugsound mit viel Hall. Der 4/4-Groove von Be My Baby setzt sich aus einer Half-Time-Feel-Figur in den Strophen und einer üblichen Achtel-Beat-Figur in den Refrains zusammen. Sparsam aber wuchtig orchestral wirkt die „verlangsamte“ Schlagfolge der Strophen. Sie ist das Markenzeichen der Rhythmik dieses Songs.

Die Strophen von Be My Baby lassen den Backbeat auf der Zählzeit 2 aus. Es ensteht der Eindruck eines halben Tempos gegenüber dem Tempogefühl in den Refrains. Im zweiten Takt der Figur entsteht durch die drei Achtelschläge auf der Snare unerwartete Bewegung. Im Wechsel der beiden Takte liegt Entspannung und Anspannung. Das macht wahrscheinlich den Reiz dieser nicht langweilig werdenen Figur aus
Basis-Drumpart mit Begleitung: Be My Baby

Über die „Nasse Platte“

Eine besondere Rolle bei der Entstehung der „Wall of Sound“ kommt dem Plate Reverb zu. Ohne diese raumgreifenden Geräte in Kombination mit weiteren Hall-Systemen wäre es schwierig geworden, die gewünschte Staffelung des Klangs in Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund zu erzeugen. Hört man das Original-Intro von Be My Baby, ist auf den Drumbeats eine sehr deutliche „Hallfahne“ im Ausklang der einzelnen Beats zu hören. Erstaunlich wie musikalisch sich dieser Effekt in den Gesamtsound einfügt.

Wie immer: Viel Freude beim Ausprobieren und Experimentieren mit dieser packenden Schlagfolge der frühen Popmusik!

Christian W. Eggers – 25. August 2022 – christian@stompology.org (Letzte Aktualisierung dieses Artikeles am 25. August 2022)

Bildnachweise

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