„Take Five“ – Prelude to a great drum groove – Part 1

Was ungewohnt ist, fällt zunächst schwer. Unter den ungeraden Takten ist ein Walzer auf Grund seiner Vertrautheit schnell als 3/4-Takt zu bergreifen. Aus der Hörgewohneit fühlen beispielsweise Tänzer und Tänzerinnen die Zählzeiten, insbesondere die „Eins“.

Schwieriger wird es, wenn eine vertraute Schlagfolge eines 4/4-Taktes in einer Komposition mit einer 5/4-Aufteilung erweitert werden soll. So verhält es sich mit dem sogenannten Swing Pattern in dem Instrumental-Hit Take Five (Link zum Anhören auf YouTube).

Aus der Hörgewohnheit des Swing als 4/4-Takt gehen schnell die „Zwei“ und die „Vier“ verloren und man trommelt im Blindflug auf der Suche nach einem konstanten Bezugspunkt.   

„Take Five ist der Titel eines erfolgreichen Jazz-Musikstücks des Dave-BrubeckQuartetts. Es wurde 1959 von Paul Desmond für das im selben Jahr erschienene Album Time Out im CBS 30th Street Studio in New York City aufgenommen. Toningenieur des für damalige Verhältnisse überaus brillanten – und bereits in Stereo produzierten – Albums war der aus München stammende Fred Plaut. Erst nach der Veröffentlichung als Single im Jahr 1961 avancierte es weltweit zum Evergreen. Die Single ist die meistverkaufte Jazz-Single aller Zeiten.“

wikipedia über Take Five

Wie geht man nun an das Einüben eines swingenden 5/4-Taktes heran? Und wie lässt sich eine Swing-Schlagfolge passend zur Einteilung der Komposition in 5/4-Takte aufteilen?

Die Sache mit dem Bier: Das Lehrangebot zum Üben von ungeraden Takten ist umfangreich. Zunächst gibt es Ratschläge, die helfen sollen nicht “vierkantig” aus einer 5/4 Kurve zu fliegen. Denkbar ist es eine Vorstellung zu entwickeln, nach der einfach an ein bestehendes 4/4 Pattern ein Grundschlag herangehängt wird. So etwa könnte der Puls eines 5/4-Taktes gezählt werden: “Noch ein Bier für mich – Noch zwei Bier für mich…”. Solche Merkhilfen funktionieren auch recht gut, wenn die Schlagfolge in der Unterteilung des Pulses nicht sonderlich komplex ist und die Betonungen (z. B. die Backbeats) mit der Band unisono gespielt werden.

Eine Herangehensweise an Kompositionen mit ungeraden Takteinteilungen ist es, den Groove der Rhythmusinstrumente auf sich wirken zu lassen und sich an deren Betonungen zu orientieren.

Rhythmik der Band erfassen

Was ist genau in Take Five zu hören? Der zarte und triolische Groove am Piano startet tatsächlich auf der Zählzeit „Eins“: “Dudib – du – bib – dam – dam“. Anschläge des Pianos bzw. einer Gitarre fallen auf die „Eins“, die „Eins-Und“, auf die „Zwei-Und“, auf die „Drei“ und auf die „Vier“ und „Fünf“. Die im Swing so bedeutsame „Zwei“ pausiert.

Anschläge Piano oder Gitarre
Basis: Anschläge der Gitarre und die Melodie – Gitarre Lutz Jentsch aus Kiel. Dank!

Gewöhnungsbedürftig ist auch die „1-Und“ als Achtelnote in einem Swing-Groove. Die „Vier“ und die „Fünf“ werden beim ersten Hören der Komposition schnell als die „Eins“ und die „Zwei“ aufgefasst, was zu einem rhythmischen Missverständnis führt.

Umsetzung am Drum Set

Eine 1:1 Übertragung der Anschlagfolge des Pianos oder der Gitarre (siehe obige Grafik) auf die Schlagzeugschlagfolge bietet sich für Take Five nicht an. Der schwebende Drive der Swing-Komposition würde verloren gehen.

Swing-Pattern

Basis ist zunächst das bekannte und übliche Swing-Pattern auf dem Ride-Becken. So im Notenbild bertrachtet, wird die „Fünf“ einfach als Schlag auf dem Ride-Becken angefügt.

5/4-Takt Swing nach Notation gespielt

Damit lässt sich jedoch der Drive des Take Five Grooves nicht so ohne Weiteres nachempfinden. Die „Fünf“ kling als „angehängter“ Schlag wie das „fünfte Rad am Wagen“ und wirkt ein wenig unorganisch im Fluss. Mehr dem Charakter der Komposition entspricht es, in einer 3/4 und 2/4 Aufteilung zu fühlen und zu spielen.

Drei Viertel und zwei Viertel = fünf Viertel

Hilfreich kann es sein, einen 5/4-Takt am Schlagzeug als seine Kombination aus 3/4-Takten und 2/4 Takten aufzufassen. Das kommt dem Take Five Gefühl schon sehr viel näher. Auch wenn Take Five nicht so notiert wird, erschließt sich die Musikalität des Grooves näher an der Komposition aus der Lesart der Abfolge eines 3/4-Taktes und eines 2/4-Taktes.

Wird das 5/4 Metrum in einen 3/4-Takt und einen 2/4-Takt gedanklich Unterteilt, ändert sich das Gefühl für das Mikrotiming. Die Swing-Schlagfolge bleibt unverändert, dennoch ensteht mit den Bezugspunkten in einer 3/4 und 2/4 Aufteilung ein leicht veränderter Drive im Mikrotiming.
Zähweise für den Swing-Groove auf dem Ride-Becken

Beinarbeit – Bass Drum und Hi-Hat

In Lehrvideos wird öfter empfohlen die ersten vier Viertel im „Two Beat“ (Wechsel von Bass Drum und Hi-Hat auf den Vierteln) zu spielen und die „Fünf“ mit der Bass Drum zu markieren. Das gibt eine gute Orientierung, hat aber den Nachteil, dass der Groove an Leichtigkeit verliert. Es fällt dann schwer, sich von einer „angehängten“ Fünf zu lösen (siehe oben) und im 3/4 zu 2/4 Gefühl zu spielen.

In der Basis ist die „Beinarbeit“ der Bass Drum auf der „Eins“ beschränkt. (1) So bleibt der Groove sanft und luftig. In der Steigerung des Grooves und in dem berühmten Solo spielt Joe Morello ganz im Stil des Jazz der späten 50er Jahre kräftige Akzente auf der Bass Drum („Bomben“). Wenn auch im Intro der Originalaufnahme keine Hi-Hat zu hören ist, kann in den Videos beobachtet werden, dass Joe Morello einzelne Viertel mit der getretenen Hi-Hat markiert.

Ein Vorschlag zur Spielweise: Die ersten drei Grundschläge: Bass Drum – Hi-Hat – Hi-Hat; die „Vier“ und die „Fünf“ werden leise mit der Bass Drum gespielt.

„Auffüllen“ der Swing Schlagfolge

Die Swing-Figur auf dem Ride-Becken wird jetzt durch Schläge auf der Snare ergänzt. Die Noten zeigen den Basis-Groove von Take Five.

Die in Klammern gesetzten Noten werden als sogenannte „Ghostnotes“ sehr leise gespielt. Auf der Zählzeit „Fünf“ erfolgt eine Achtelriole. Das erste Triolenachtel ergibt sich aus der Swing-Schlagfolge auf dem Becken. Das zweite und dritte Triolenachtel werden leise auf der Snare gespielt.
Der Basis-Groove ist schon eine Herausforderung. Damit er weich und swingend klingt, bedarf es viel Feingefühl der linken Hand sowie einer starken Unabhängigkeit zwischen rechts und links. Durch das „Auffüllen“ des Swing-Patterns mit einem Offbeat-Akzent (auf der 2-Und) und einem Onbeat-Akzent (auf der 4) auf der Snare ensteht die für Take Five typische Groove-Melodie. Auf der „Fünf“ wird eine Triole gespielt. Die „Und“-Ghostnotes der „Eins“ und der „Drei“ erfordern zunächst enorme Konzentration. Es passiert also viel innerhalb eines 5/4-Taktes. Auch bei Fortgeschrittenen dauert es, bis der Groove selbstverständlich und leicht klingt. Das Hörbeispiel nähert sich dem Original-Groove an, ohne jedoch die Feinheiten zu erfassen.

Im zweiten Teil dieses Artikels geht es um die Annäherung an den Take Five Groove über die Schlagmelodie, eine Spielweise mit den Besen auf der Snare und den Einstieg in ein 5/4-Takt Solo.

Ich wünsche gute Inspiration und Freude am Ausprobieren dieses wirklich einzigartigen Grooves!

Christian W. Eggers – 7. August 2021 (letzte Aktualisierung am 15. August 2021) christian@stompology.org

Dieser Artikel erschien erstmals 2020 auf stompology und wurde vollständig überarbeitet.

Quellen und Material

Veröffentlicht von Christian W. Eggers

Drummer aus Kiel in Schleswig-Holstein. "Drummer machen Fehler, die meistens laut sind."

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