In dieser Folge aus der Reihe „Berühmte Grooves“ geht es um die Geschichte und die Schlagzeugspielweise des Banana Boat Songs in der Version von Harry Belafonte.
Der König widerwillen
Harry Belafonte hat mit Kritik am Showgeschäft nicht gespart. Insbesondere gegen Klischees wehrt er sich vehement. Als sich das Album „Calypso“ mit dem Banana Boat Song in kurzer Zeit über eine Millionen Mal verkauft hatte, wurde Belafonte als King of Calypso vermarktet. Das gefiel Belafonte nicht und es hatte Folgen.
„Das war zwar ein marktfähiger Titel, aber nur wenige meiner Songs waren Calypsos. Ich protestierte und habe deswegen den „Banana Boat Song“ lange nicht gesungen, da mein Repertoire weitaus vielfältiger war.“
Harry Belafonte (1)

Entertainment und Protest
Seine Bekanntheit nutzte Belafonte zur Förderung politisch unbequemer Künstlerinnen und Künstler sowie zur Unterstützung der Bürgerrechtsbewegungen. Im US-Showgeschäft der 50er und 60er Jahre ein existenzgefährdender Drahtseilakt.

Belafontes Publikum konnte in dem Banana Boat Song das hören, was ihm je nach Weltanschauung und Herkunft passte: idyllische Ausmalung harter Arbeit oder doch mehr einen Aufruf („Day-o!“) zum Kampf für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte.
Gegen den Vorwurf der „Onkel Toms Hütte Verkitschung“ ausbeuterischer Arbeitsbedingungen steht die Echtheit dieses jamaikanischen Volksliedes. Die Strophen wurden tatsächlich bei der Arbeit gesungen und je nach Situation textlich variiert. Nicht selten wurde dabei das Mittel der Satire und der Ironie verwendet. Der Banana Boat Song war und ist ein internationaler Worksong. In den 60er Jahren wurde der Song von den Schauerleuten des Hamburger Hafens beim Entladen der Frachter gesungen. (3)

Aber nun endlich zur Musik und dem großen Spaß am Schlagzeugspiel eines einzigartigen Grooves!
Calypso Rhythmus
Gibt es den typischen Calypso Rhythmus? Vergleicht man die Unterrichtsmaterialien von Schlagzeugschulen zum Calypso, wird man stark von einander abweichende Darstellungen „des Calypsos“ finden. Das liegt daran, dass Calypso-Sänger nicht einen markanten Rhythmus bevorzugten, sondern sich frei aus den verschiedensten Tänzen und denen ihnen zugrunde liegenden Rhythmen bedienten. (4) Typisch ist ab den 1930er-Jahren eher eine Klangfarbe: die der karibischen Stahltrommeln.
Der Banana Boat Groove
Der Groove strahlt mit seiner hüpfenden Spielweise Fröhlichkeit aus. Die eintaktige 4/4-Schlagfolge wird geshufflet. Das Tempo hat mit 120 bpm „Worksong“-Schwung.
Zu hören sind in der Originalaufnahme Membranophone („Fellklinger“), wahrscheinlich zwei Conga-Trommeln. Auf der Zählzeit Zwei der 4/4-Takte ist ein „Tschick“-Geräusch zu hören. Vermutlich wird dieses mit einem Shaker erzeugt.
Die Groove-Melodie in Lauten
Ein guter Weg sich in Stimmung und Timing zu bringen, ist das Singen der Groove-Melodie. Etwas so:
„Dam-Tschick-badam-Duuuuhhh“
Basis am Drumset
Bei der Umsetzung der Schlagfolge am modernen Drumset, bieten sich zahlreiche Variationen an. Soll der Groove am Set gespielt werden, können die Toms auch wirkungsvoll mit den Händen angeschlagen werden.
Das Grundgerüst zeigt die obige Schlagfolge von Jan Falckenberg, die hier mit den Händen und Füßen (Two Beat) am Set getrommelt wird. (5)

Das geheimnissvolle „Duuhhh“-Geräusch
Das die Atmosphäre des Grooves prägende „Duuuuhhh“ ist auf der Vier zu hören. Wie dieser Klang in der Belafonte-Version des Songs ensteht, ist nicht überliefert und wird unterschiedlich beantwortet. (6)
Mit großer wahrscheinlichkeit wird der Klang mittels eines „Finger Glissandos“ auf der Conga-Trommel erzeugt. Diese spezielle Technik, bei der das Fell angeschlagen wird und der Finger anschließend mit Druck über das Fell gleitet, wird heute gelegentlich als Moose Call (Ruf der Elche) bezeichnet (wie auf der Conga zu spielen, siehe Video). (7) Es soll Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger geben, die mit dem Stick einen Moose Call auf den Toms nachahmen können. Trotz vieler Stunden Übens und des Experimentierens mit verschiedenen Stimmungen ist mir das nicht gelungen. Es klang scheußlich.
Beispiel zur Umsetzung am Drumset mit den Besen
Die hier gezeigte Umsetzung wird mit den Jazz-Besen gespielt. Statt des „Duuuhhhh“ wird ein „Tschsch“ mit dem gewischten Besen auf dem Standtom erzeugt.
Zum Einsatz kommen in diesem Beispiel der Umsetzung (obige Abbildung) die Snare bei ausgeschaltetem Teppich auf der Eins, die Hi-Hat für den „Tschick“-Klang auf der Zählzeit Zwei, das kleine Tom auf der Drei und im zweiten Takt zusätzlich auf der Zwei-Und. Für die Vier mit dem „Tschsch“-Klang ist das Standtom reserviert.
Die Schlagzeuger
Im letzten Abschnitt eines Artikels über berühmte Grooves folgt regelmäßig ein kurzes Porträt des Drummers. Trotz längerer Recherche war bisher nicht herauzufinden, wer den Banana Boat Song getrommelt hat. Für einen Hinweis aus der Leserschaft, wäre ich dankbar.
Überliefert ist, dass Belafonte einen jazzigen Carakter des Albums Calypso anstrebte und daher seinen engen Freund Toni Scott samt seines Orchesters anheuerte. (8) Schlagzeuger des Toni Scott Orchestra waren im Zeitraum der Aufnahmen der Calypso Produktion Lenny McBrowne und Osi Johnson.
Christian W. Eggers – 11. Mai 2021 – letzte Aktualisierung dieses Artikels am 16. Mai 2021- christian@stompology.org
Quellen
- (1) Belafonte Zitat aus dem Beitrag „Harry Belafonte sang für die Bürgerrechte“, Hans-Jürgen Finger – swr4
- (2) wikipedia über Harry Belafonte
- (3) Persönliche Mitteilung eines ehemaligen Studenten, der 1966 im Hamburger Hafen als Schauermann gearbeitet hat
- (4) Handbuch der populären Musik, Seite 126
- (5) Noten-Beispiel von Jan Falckenberg, drummerforum.de
- (6) Diskussion zum Klang der Zählzeit Vier im Schlageug-Part des Banana Boat Songs; drummerforum.de
- (7) How I do the Moose Call on the Conga Drums – Glissando Lesson; drumcircles.net YouTube via drummerforum.de; Beitrag #2, Heartbeat
- (8) “Calypso” — Harry Belafonte (1956) Added to the National Registry: 2017 Essay by Judith E. Smith
- Artikel-Foto, Teaser oben: „Library of Congress„, loading a vessel under difficulties, Jamaica 1923; Jamaica Stereograph showing people loading bunches of bananas on boat by shore; ship in background