Zusammen musizieren in Zeiten der COVID‐19‐Pandemie ist unvernüftig und je nach aktuell bestehenden Regelungen verboten. So wundert es nicht, dass Bands, Musikerinnen und Musiker nach technischen Möglichkeiten einer virtuellen Zusammenkunft suchen. Oder auch nur unkompliziertes Homerecording ihrer Musikwerke verwirklichen möchten.
Eine kostenfreie und einfache Möglichkeit zum Zusammenspiel bietet die Video- und Audio-App“ MelodyLab“ des schwedischen Entwicklers Mats Eriksson. Die App wurde im Jahr 2016 für Apple Produkte konzipiert und funktioniert ohne Einschränkungen auf jedem iPhone. Als Zubehör ist ein Kopfhörer oder Ohrhörer mit Kabelverbindung notwendig. Nicht kompatibel ist die App mit Bluetooth Headphones. Die App ist im Apple App Store kostenfrei herunterzuladen.
Im App Store wird die App so beschrieben:
“Record a video of yourself when you play an instrument or sing, then add more recordings and create your own song. When finished, export video to photo album and share it with your friends. With MelodyLab you can be your own band!“

Datenschutz und personalisierte Werbung
Die App ist zwar kostenfrei, dennoch (oder gerade deshalb) hat sie ihren Preis. Dieser besteht in der Sammlung und Auswertung von Nutzeraktionen zur Übersendung von personalisierter Werbung an die jeweiligen Nutzer. Leider bietet der inzwischen offenbar inaktiver Hersteller keine kostenpflichtige Version ohne Datensammlungen zum Zweck der Werbung an. Denn diese haben es in sich! Nachdem mein iPhone mehrfach die Kopfhörerlautstärke ungefragt heruntergeregelt hat (Gehörschutz), zeigte die App eine Woche später tatsächlich Werbung für Hörgeräte an (siehe folgende Abbildung).

So funktioniert die MelodyLab App
Du nimmst ein Video Deines Musikparts im üblichen Apple MOV‐Format auf. Nun importierst Du das Video in die App mittels der Import‐Taste. Jetzt kannst Du der Aufnahme bis zu acht weitere Video‐Parts hinzufügen. Selbstverständlich können Videos auch zwischen verschiedenen Personen ausgetauscht werden und jeder, der im Besitz der App ist, kann Parts des Projekts importieren und einspielen. Laustärkeverhältnisse zwischen den einzelnen Videos lassen sich recht genau über Schieberegler abstimmen.

Bedienung der MelodyLab App
Die Bedienung ist einfach. Das übersichtliche Layout der App erklärt alle Funktionen, ohne dass sie nachgelesen werden müssen (siehe obige Abbildung). Das macht Freude und man kann sich ganz auf die Musik konzentrieren.
Einsatz der App für das Schlagzeugspiel
Für Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger ergibt sich eine Einschränkung beim Monitoring über den notwendigen Kopfhörer: Naturgemäß braucht es zum Overdubbing eines Musikparts mit einem akustischen Schlagzeug kräftig etwas auf die Ohren. Denn das Schlagzeug darf die bestehenden Aufnahmen beim Einspielen nicht übertönen, so dass es mühsam wird, synchron und schwungvoll zu spielen.

Apple schaltet jedoch bei hohen Lautstärken die Kopfhörerlautstärke mit einem strengen Hinweis zum Gehörschutz ohne Vorwarnung herunter (siehe Abbildung oben). Das ist während einer Aufnahme, gelinde gesagt, sehr unhöflich. Abhilfe kann hier ein externer Kopfhörerverstärker, verbunden mit einem geschlossenen Studio-Kopfhörer, schaffen. Dabei muss im Einzelfall ausprobiert werden, ob die App und die Harware das Audiosignal auf den Kopfhörer übertragen (Kompatibilität).
Fazit nach der ersten Erfahrung mit MelodyLab
Das obige Video zeigt, wie der Autor dieses Artikels die Rhythmussektion einer New Orleans Brassband einübt. Als Vorspann und als Abspann wurden Abbildungen mit iMovie eingefügt. Die MOV-Datei wurde aus iMovie heraus in eine mp4-Datei konvertiert.
Es rumpelt, schwankt, kracht und rollt. Sicher geht das alles genauer einzuspielen und im Klang etwas nachzubearbeiten. Was aber erstaunlich beim Aufnehmen und Anhören vorhanden ist: das Live‐Gefühl. Und daran fehlt es ja in diesen Zeiten des einsiedlerischen Musizierens häufiger. Ein großer Spaß nicht nur in den Zeiten der Pandemie.
Wer sich bezüglich der umfangrechen Datenerhebungen zur Erstellung von personalisierter Werbung durch die App zu sehr belästigt und ausspioniert sieht, müsste sich nach einem ähnlichen Produkt umsehen. Leider habe ich bisher keine Alternative gefunden. Über eine Nachricht hierzu würde ich mich daher sehr freuen: christian@stompology.org
Ich wünsche viel Spaß beim Entdecken und Ausprobieren!
Christian W. Eggers (Kiel, 14. Dezember 2020; letzte Aktualisierung am 18. Dezember 2020)