In Kleinanzeigenportalen tauchen sie regelmäßig auf. Der Vorrat scheint unendlich zu sein. Gemeint sind die Consumer-Mikrofone der 60er Jahre für „kleines Geld“. Diese Mikrofone wurden meist für den Anschluss an Tonbandgeräte im Heimgebrauch gebaut. Heute sind diese dynamischen Mikrofone verschiedener Hersteller für Preise zwischen acht und fünfzig Euro zu erwerben. Kann man mit den alten Dingern eigentlich noch etwas anfangen oder sind die optisch ansprechend gestalteten und robust verarbeiteten Mikrofone mehr etwas für Sammlervitrinen?

Niedrigpreis-Oldtimer als Zweitmikrofon
Probieren geht über Studieren und so wurden drei 60er Jahre Mikrofone für den Anschluss an ein Mischpult und ein Interface mit XLR-Eingängen umgerüstet und als Zweitmikrofone zur Aufnahme des Raumklanges über dem Drumset platziert.
Umrüstung der drei getesteten Mikrofone von asymetrischen DIN-Steckverbindungen auf symetrische XLR-Verbindungen Telefunken TD 26: Abschirmung auf XLR-Pin 3 und 1, transparente Ader auf XLR-Pin 2; Beyer M 55: Abschirmung auf XLR-Pin 1, rote Ader auf XLR-Pin 2, weiße Ader auf XLR-Pin 3; Grundig GDM 321: Abschirmung auf XLR-Pin 1, gelbe Ader auf XLR-Pin 2, weiße Ader auf XLR-Pin 3.
Ausprobiert wurden folgende Mikrofone: ein Telefunken TD 26, ein Beyer M 55 und ein Grundig GDM 321. Letztere beiden Mikros haben eine Kugel-Charakteristik und sind damit sehr gut geeignet den Raumklang aufzunehmen. Das Telefunken Mikrofon TD 26 ist mit seiner Nieren-Charakteristik gerichteter.
Zielsetzung und Testbedingungen
Ziel war es, einen möglichst natürlichen Klang der Trommeln und Becken zu erreichen. Als Hauptmikrofon wurde ein „Bändchen“ neuer Herstellung (the t.bone RM 700) zwischen Snare und Hi-Hat platziert. Das Mikrofon nimmt mit seinem relativ dunklen Klang das kleine Set ausgewogen und „warm“ auf. Bei der im Bild gezeigten tiefen Platzierung ist auch der Klangerzeugung der Schwingung des Schlagfells der Bassdrum ausreichend laut aufnehmbar.
Nachteil dieses Aufbaus mit einem Bändchen-Mikrofon ist, dass die Obertöne der Instrumente des Sets verloren gehen. Daher bietet sich an, über dem Set ein zweites Mikrofon zu installieren und eine höhenreichere Farbe über den Raumklang hinzuzufügen. Der Reihe nach wurde dieses mit dem Telefunken TD 26, dem Beyer M 55 und dem Grundig GDM 321 ausprobiert.

Das Ergebnis
Nachfolgende Audios wurden mit dem Computer angefertigt. Der Pegel des „Bändchens“ wurde dabei etwas höher als der des jeweilig zu testenden dynamischen „Zweitmikrofons“ eingestellt. Auf eine nachträgliche Bearbeitung der Aufnahmen sowie auch auf das „Schrauben“ an den Tiefen, Mitten und Höhen während und vor den Aufnahmen wurde verzichtet. Das klingt dann nicht optimal, aber damit wird das Ergebnis nicht verfälscht.

Nur das Bändchen-Mikrofon zwischen Snare und Hi-Hat
Bändchen-Mikrofon zusätzlich mit dem Telefunken TD 26 als Overhead
Bändchen-Mikrofon zusätzlich mit dem Beyer M 55 als Overhead
Bändchen-Mikrofon zusätzlich mit Grundig GDM 321 als Overhead
Fazit
Als „Zweitmikrofone“ zur Abnahme von Percussionsintrumenten und kleineren Drumsets können die preiswerten Oldie-Mikrofone, sparsam eingesetzt, eine individuelle Klangfarbe in den Sound zaubern.
Tatsächlich funktioniert die „Höhen-Auffrischung“ mit allen drei Mikros als „Overhead“. Unterschiede sind hörbar und die sind Geschmackssache. Mir gefällt der Klang der Aufnahme mit dem Beyer M 55 sehr gut.
Die Aufnahme mit dem Telefunken Mikrofon TD 26 bring die getretene Hi-Hat auf der Zwei und der Vier des Shuffle-Grooves deutlich heraus. Das kann auch an der Nieren-Charakteristik dieses Mikrofons liegen. Das Grundig GDM 321 wirkt am dezentesten; obwohl bei der Aufnahme der Pegel etwas höher gedreht ist, als bei den beiden vorherigen Aufnahmen.
Festzuhalten ist, dass die Mikrofone robuste Metallgehäuse haben und mit etwas Bastelei auch an „moderne“ Mischpulte mit symetrischen XLR-Eingängen angeschlossen werden können. Für Sprachaufnahmen in Richtung „Radiostimme“ sind diese Mikros nicht zu empfehlen. Jedes preiswerte Kondensator-Großmembran-Mikrofon aus China übertrifft die kleinen Oldtimer an Klang und Power.
Auch für Aufnahmen akustischer Gitarren lassen sich die getesteten Mikros nicht so gut verwenden. Sie stoßen an ihre Grenzen und lassen den Korpus zu „dünn“ klingen. Denkbar ist aber auch hier ein Einsatz als „Zweitmikrofon“, zum Beispiel bei der Aufnahme einer Westerngitarre zur Durchsetzung der Gitarre im Zusammenspiel mit weiteren Instrumenten.
Mag man „Old-School-Drumming“ und Jazz, dann machen die ollen Dinger richtig Spaß. Die drei Mikros werden einen festen Platz in der „Werkzeugkiste Sounds“ behalten.
Christian W. Eggers – 18. Februar 2023 – christian@stompology.org (Letzte Aktualisierung dieses Artikels am 19. Februar 2023)