Anlässlich der Wahl des Drumsets zum „Instrument des Jahres 2022“ hat der Kieler Schlagzeuglehrer Markus Zell sich unter Schlagzeugern und Schlagzeugerinnen aus Schleswig-Holstein umgesehen. Es entstand eine über einstündige Dokumentation, eingebunden in ein Interview mit dem aus Kiel stammenden Schlagzeuger Jost Nickel.
Das Projekt der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendmusik Schleswig-Holstein ist so angelegt, dass nicht allein Profis und bekannte Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger zu Wort kommen. So zeigt der Film neben professionellen Musikerinnen und Musikern auch ganz „normale“ Menschen, die aus Freude am Lernen und Spielen ihre Freizeit am Drumset verbringen.
Der Film ist jetzt, nachdem er u. a. in Programmkinos gezeigt wurde, auf YouTube anzuschauen und hier eingebunden.
Ein Filmbeitrag von Markus Zell zum „Instrument des Jahres 2022 – das Drumset“. Schlagzeug in Schleswig Holstein, eine Bestandsaufnahme. Ein Projekt der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendmusik SH Mit freundlicher Unterstützung des Landesmusikrates SH und der Sparkassenstiftung SH
Ab Minute 17 des Filmes durfte auch der Autor dieser Website etwas über sein Projekt stompology.org erzählen. Vielen Dank an Markus Zell und sein Team.
Christian W. Eggers – 12. Januar 2023 – christian@stompology.org
Ist man dem Klang von Röhrentonbandgeräten verfallen, hört die Suche nach dem optimalen Gerät wohl nie mehr auf. Blöd nur, dass diese Geräte meist über 60 Jahre alt sind, in feuchten Kellern und auf staubigen Dachböden Jahrzehnte lang verrotteten und jetzt bei den erwartungsfreudigen stolzen Neu-Eigentümern für so mache böse Überraschung sorgen. Ohne die Hilfe Fachkundiger wird es nicht werden.
„Die Lötleisten sind im Laufe der Jahrzehnte spröde und brüchig geworden, da heißt es aufpassen, dass nichts abreißt oder abbricht.“
Klaus Diemer
Instandsetzung der Röhrentechnik
Klaus Diemer, leidenschaftlicher Fan alter Technik und „Bastler“, hat sich nach der Revision eines TK 30 nun eines kleineren Grundig Tonbandgerätes mit der Bezeichnung TK 20 angenommen.
Klaus Diemer schreibt zum Grundig TK 20: „Die einzelnen Bauteile sind beim TK 20 freitragend aufgebaut, Platinen waren bei diesem Modell Fehlanzeige. Die Lötleisten sind im Laufe der Jahrzehnte spröde und brüchig geworden, da heißt es aufpassen, dass nichts abreißt oder abbricht. Viel Platz war im Innern des Gehäuses auch nicht, so sind viele Bauteile sehr schlecht zugänglich und zum Teil nur erreichbar, nachdem andere Teile abgebaut wurden. Hier ist schnell etwas beschädigt oder ein Kurzschluss verursacht. Es ist jedenfalls kein Zuckerlecken, mit dem Lötkolben hier zu arbeiten.“
Liebhaber alter Technik streiten gerne über deren Wege zur Erhaltung. Die einen sagen „Eine gute Restauration bedeutet immer, dass man so viel wie irgendwie möglich von der originalen Substanz rettet.“ Die hier beschriebene Renovierung des Gehäuses eines Grundig Tonbandgerätes TK 20 von 1959 fällt unter die gegensätzliche Position: „Bringt Eure Kisten in den Zustand, wie sie Euch gefallen.“
Verborgene Schönheit – Idee Holzoptik
Im Zuge der Instandsetzung der Elektronik des Gerätes bietet es sich an, das leere Gehäuse des Oldtimers genauer zu betrachten. Häufig ist die für Grundig-Geräte typische grüne oder graue Folienbespannung des Holzgehäuses in Mitleidenschaft gezogen. Unter der Gehäusefolie zeigt sich eine bisher verborgene Schönheit. Das stabile Sperrholz lässt sich gebeizt und lackiert zur Geltung bringen.
Klangliche Eigenschaften
Ein Klangwunder ist das Grundig TK 20 nicht. Wenn aber die Elektronik in Ordnung gebracht ist, die Tonköpfe sauber sind, die Gummiandruckrolle noch weich ist und das Capstanlager nicht ausgeschlagen ist, dann hat man einen „kleinen Kämpfer“ mit den typischen Eigenheiten des Röhrenklanges. Das Gerät hat kräftige Mitten und einen sehr weichen Klang im Bassbereich. Und für einen so kleinen Kasten ist das TK 20 erstaunlich laut.
Eine kurze Kostprobe mit dem iPhone 7 erstellt: der Grundig Tonbandkoffer TK 20 im Betrieb mit einem externen Lautsprecher Telefunken „Klangbox WB 60“, direkt an den vorgesehenen Lautsprecherausgang angeschlossen
Ich wünsche viel Freude beim Lesen des Artikels von Klaus Diemer. Klaus Diemer ist gerne bereit, bei Problemen mit alten Grundig- und UHER Report-Tonbandgeräten zu helfen. Er nimmt jedoch keine Reparaturanfragen an. Kontakt: klaus.diemer(at)t-online.de
Christian W. Eggers – 2. November 2022 – christian@stompology.org (letzte Aktualisierung diese Artikels: 7. Dezember 2022)
„Viele der älteren Bluessänger glauben, dass Europa den Blues übernehmen wird. In Europa wollen sie nicht, dass ich ‚Onkel Tom‘ oder den Clown mache, wie ich es hier tun muss.“ So resignativ äußerte sich Muddy Waters 1964 in einem Interview der Zeitschrift Rhythm and Blues. (1)
Tatsächlich gab es kaum eine britische Beat Band der 60er, die die 1957 von Muddy Waters eingespielte Version von Got My Mojo Working zunächst nicht in ihr Repertoire übernahm. Heute gilt Muddy Waters als der „wichtigste Blues-Musiker der Nachkriegszeit“. (2) Waters’ Version von Mojo Working wurde in die Grammy Hall of Fame aufgenommen und steht auf der Liste Songs of the Century (2001). (3)
Mojo Working ist zunächst ein “Twelve Bar Blues”. Im ersten Akkord der Blueskadenz (Tonika) erfolgt ein kleines Gitarren-Riff, das den Song von den unzähligen “typischen” Bluessongs abhebt und stark „nach vorne“ treibt. Und da ist das hohe Tempo, das meist in Notationen mit der Spielanweisung „With a moving beat“ angegeben wird. Dieser Moving Beat hat es in sich. In der Notation sieht er einfach aus.
Die Basis des Schlagzeuggrooves von Got My Mojo Working bildet das Swing-Pattern. Die 2-Und sowie die 4-Und werden auf der Snare synchron zum Becken mitgespielt. Das verleiht dem Groove einen „federnden“ Drive.Es gibt inzwischen unzählige Variationen verschiedenster Interpreten. Diese Variation im zweiten Takt auf den Zählzeiten Drei und Vier der Notation wird sehr häufig gespielt.
Versucht man den Groove, so wie notiert als Swingpattern, nur eben sehr schnell, zu trommeln, will das nicht richtig zur Spielweise der anderen Instrumente passen. Der R&B Kenner Daniel Glass beschreibt die Spielweise am Schlagzeug als „double time swing feel“. (4)
Audio: Groove Got My Mojo Working – Zusammenspiel Schlagzeug und Gitarren.
Ich wünsche viel Spaß beim Ausprobieren, Üben, Verbessern und Variieren dieses mitreißenden Grooves!
Christian W. Eggers – 16. Oktober 2022 – christian@stompology.org
Hausdurchsuchung bei den Rolling Stones, Szenen des Hipster-Films Blow Up zensiert und die Beatles erhalten Morddrohungen, weil sie sich angeblich für wichtiger als Jesus halten: Fast scheint es so, als kommt die zweite Hälfte der Swinging Sixties ein wenig aus dem Takt. Da kommt 1967 der Song des schottischen Musikers Donovan über einen geheimen Glücksbringer Mellow Yellow gerade richtig. Mellow Yellow von Donovan kannst Du auf YouTube anhören.
Der Song
Das Musikmagazin Cash Box bezeichnete Mellow Yellow als „easy-going, sophisticated blues number which should be a giant.” Sogar dem amerikanischen Publikum hat der Song des schottischen Folk-Musikers gefallen. Mellow Yellow erreichte Nummer 2 der Billboard Hot 100. (1)
Vielleicht ist es die verblüffende Einfachheit, die nicht aus der Not, sondern mit kalkulierter Reduktion durch den Produzenten Mickie Most einen Klassiker der Popmusik entstehen lassen ließ.
Der ewige Hippie
Der junge Donovan wollte eigentlich ein Jazz-Drummer werden: „Mit 14 Jahren spielte ich dann Schlagzeug. Nicht in einer Band, sondern nur für mich selbst und ich wollte unbedingt Jazz-Drummer werden. Mein Vater besaß Aufnahmen von Gene Krupa vom berühmten Carnegie Hall Konzert in 1938; ich hörte sie mir immer wieder an und wusste, dass dies mein Ziel war.“ (2) Zum Glück ist es anders gekommen.
Für seine Studioproduktionen setzte Donovan bevorzugt gestandene Jazz-Drummer ein. Die waren dabei wahrscheinlich weniger technisch als mehr mit dem Weglassen gefordert.
Der Gitarren-Groove
Der Groove des Songs ist durch Donovans perkussives, sparsames und enorm präzises Gitarrenspiel geprägt. Dem Schlagzeug kommt keine besondere Bedeutung bei der rhythmischen Gestaltung des Songs zu.
Der Song besteht aus dem Wechsel von Strophe / Refrain ohne Bridge und Zwischenspiel.
Es klingt so einfach: „Tack-Tack-Tack-Tack“ ohne Ausklang der vier Akkorde. Schnell ist man versucht die Viertel als binären Marsch „herunterzuschrubben“. Das geht schief. Der Song verliert sein beschwingtes Flair.
Werden aber die Akkordanschläge im ursprünglichen moderaten Tempo von 110 bpm als erste Achtel einer Achteltriole aufgefasst („Tri-Oh-La“), entsteht ein leichtes Rollen, so wie im Blues-Rock bei ausgespielten Achteltriolen im 6/8-Gefühl. Und schon machen die vier einzelnen Anschläge pro Takt Spaß. Nämlich durch das, was nicht gespielt wird. Die pausierenden Triolenachtel sind der Kitt, der den hörbaren Anschlägen erst Leichtigkeit und etwas Geheimnisvolles verleiht.
Audio: Gitarre der Strophen zum Metronom gespielt. Ein kleiner rhythmischer Schlenker erfolgt auf dem vierten Anschlag der D-Akkorde. Das Original wird auf einer akustischen Gitarre gespielt.Putting it all together: Gitarre, Bass, Drums und Gesang – Erste Strophe „Mellow Yellow“.
Der Drummer Bobby Orr
Häufig ist zu lesen, dass die englische Beat-Szene, im Gegensatz zur US-amerikanischen Musikindustrie, auf nicht sonderlich kompetente Schlagzeuger zurückgreifen konnte. Der Schotte Bobby Orr gehörte zu den zahlreichen hervorragend ausgebildeten Studiomusikern, die nie vom Publikum (und von der Fachpresse wenig) wahrgenommen wurden.
Nicht einmal Bobby Orr konnte sich erinnern, welchen berühmten Songs er seinen Beat verliehen hat. Eine Würdigung dieses international erfolgreichen Drummers findet sich, etwas versteckt, auf der Unternehmenswebsite des Schlagzeugherstellers Gretsch. (3)
Ich wünsche viel Freude beim Entdecken und Wiederentdecken der Swinging Sixties mit ihren aufregenden Musikproduktionen und den zahlreichen bekannten und unbekannten Musikerinnen und Musikern.
Christian W. Eggers – 11. September 2022 (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 11. September 2022) christian@stompology.org
Hollywood war nicht nur der Tatort gewalttätiger Filmproduzenten. Träume und Albträume vermischten sich auch im berühmten Gold Star Tonstudio. Der Kulturbetrieb, und nicht allein der US-amerikanische, entlarvt sich spätestens dann vollständig zur Farce, wenn sich, wie im Falle des Produzenten und Komponisten Phil Spector, herausstellt, dass der für seine große Begabung und Einfühlung gelobte Künstler Freude daran hatte, Menschen zu quälen.
Wall of Sound
Phil Spector erschuf mit dem Song Be My Baby 1963 ein euphorisches Liebeslied, welches in der Liste des Rolling Stone der 500 besten Songs aller Zeiten Platz 22 erreichte und als Produktion neue Maßstäbe für die Popmusik setzte.
Hierzu trug der für damalige Gewohnheiten bombastische Schlagzeugklang bei. Spector soll extrem großen Wert auf das Schlagzeug gelegt haben. Für Be My Baby mit den Ronettes heuerte er gleich zwei der besten amerikanischen Rock‘n Roll Drummer an: Hal Blaine und Earl Palmer. Als Mitglieder der Wrecking Crew, einem Zusammenschluss von Musikern zu einer Studio-Band, waren Blaine und Palmer an nahezu jeder amerikanischen Hit-Produktion der 50er und 60er Jahre beteiligt.
Der Groove
Der Basis-Rhythmus der Band basiert auf einem Achtel-Latin-Feel mit den Betonungen auf der Eins, der Zwei-Und und der Vier. Vieleicht kam der Produzent auch deshalb auf die Idee Kastagnetten einzustezen. Damit der Groove nicht „süßlich“ baladenhaft verschwimmt, werden die Akkorde nicht weich intoniert.
Wie eingangs erwähnt: Spector wünschte einen dominaten Schlagzeugsound mit viel Hall. Der 4/4-Groove von Be My Baby setzt sich aus einer Half-Time-Feel-Figur in den Strophen und einer üblichen Achtel-Beat-Figur in den Refrains zusammen. Sparsam aber wuchtig orchestral wirkt die „verlangsamte“ Schlagfolge der Strophen. Sie ist das Markenzeichen der Rhythmik dieses Songs.
Die Strophen von Be My Baby lassen den Backbeat auf der Zählzeit 2 aus. Es ensteht der Eindruck eines halben Tempos gegenüber dem Tempogefühl in den Refrains. Im zweiten Takt der Figur entsteht durch die drei Achtelschläge auf der Snare unerwartete Bewegung. Im Wechsel der beiden Takte liegt Entspannung und Anspannung. Das macht wahrscheinlich den Reiz dieser nicht langweilig werdenen Figur aus
Basis-Drumpart mit Begleitung: Be My Baby
Über die „Nasse Platte“
Eine besondere Rolle bei der Entstehung der „Wall of Sound“ kommt dem Plate Reverb zu. Ohne diese raumgreifenden Geräte in Kombination mit weiteren Hall-Systemen wäre es schwierig geworden, die gewünschte Staffelung des Klangs in Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund zu erzeugen. Hört man das Original-Intro von Be My Baby, ist auf den Drumbeats eine sehr deutliche „Hallfahne“ im Ausklang der einzelnen Beats zu hören. Erstaunlich wie musikalisch sich dieser Effekt in den Gesamtsound einfügt.
Wie immer: Viel Freude beim Ausprobieren und Experimentieren mit dieser packenden Schlagfolge der frühen Popmusik!
Christian W. Eggers – 25. August 2022 – christian@stompology.org (Letzte Aktualisierung dieses Artikeles am 25. August 2022)