Der Snowshoe zum Selbstbau – Teil 1

Schon lange nicht mehr im Handel erhältlich ist eine der frühsten Umsetzungen (ca. 1920) der mit den Füßen gespielten Becken: der „Snowshoe“ oder auch das „Charleston Pedal“. Das Pedal mit seinen zwei Becken erzeugt, richtig gespielt, das satte „Tsching“ der Marschbecken einer Marsch-Kapelle. Nur eben mit einem Fuß gespielt, so dass die Hände für die Snare, die Toms und weitere Becken frei bleiben. Der Klang eignet sich hervorrangend für Second-Line-Grooves. Und so hat sich der Autor dieses Artikels an die Arbeit gemacht einen möglichst typischen Snowshoe nach alten Abbildungen nachzubauen.

Bildzitat aus dem Ludwig Katalog von 1928, Seite 63. Die Ausführung des Herstellers Ludwig hatte, im Gegensatz zu einigen anderen Herstellern, ein Sprungfeder-Scharnier. Quelle: Clay Taylor Greene, http://www.drumarchive.com/Ludwig/ , Link zum Werk: http://www.drumarchive.com/Ludwig/1928_LUDWIG.pdf

Der erste Teil dieser Artikelserie befasst sich mit dem Bau der Grundplatte, der Pedalplatte und der Verbindung dieser Platten durch ein Scharnier. Im zweiten Teil zur Bauanleitung eines Snowshoes, auch Charleston Pedal genannt, geht es um die Montage der Becken, die Auswahl eines Fußriemens und die Lackierung. Der dritte Teil beschreibt die Montage eines Rückholmechanismus des Pedals.

Funktionsweise des Snowshoes

Das Prinzip ist einfach. Die Schlagbewegung zum Aufeinandertreffen der 12-Zoll-Becken wird allein über die Fußbewegung, ohne mechanische Übersetzungen wie Druckfedern oder Zugfedern ausgeführt. Bei der hier gezeigten Variante des Snowshoes erzeugt die Abwärtsbewegung der Ferse durch das Scharnier die Öffnung der Becken. Unterstützt wird diese Bewegung durch den Zug des Mittelfußes der über einen Riemen mit der oberen Pedalplatte seinen Halt findet. Das Schließen der Becken erfolgt, wie bei der modernen Hi- Hat mit der Fußspitze.

Die Abbildung zeigt den selbstgebauten Snowshoe in der Endfertigung. Die Becken sind sehr leicht und haben einen Umfang von 12 Zoll.

Die Grundplatte

Die Basis für den Snowshoe für 12-Zoll-Becken ist eine solide Grundplatte mit einer Länge von 38 cm, einer Breite von 14 cm und einer Stärke von 3 cm. Im Beispiel wurde Kiefernholz verwendet. Gut geeignet sind auch schwerere Hölzer (z. B. Eiche) oder auch mehrfachverleimtes Bootsbauersperrholz.

Als Antirutsch-Funktion der Bodenplatte eignen sich handelsübliche Gummifüße, die auf der Unterseite der Grundplatte verschraubt werden. Wer absoluten Luxus anstrebt, kann die Füße auch in der höhenverstellbaren Variante erwerben und anbauen.

Das Foto zeigt die Rohlinge für das Pedal und die Bodenplatte.

Die Pedalplatte

Die Pedalplatte sollte möglichst leicht sein. Dann hat der Fuß weniger Arbeit. Es eignet sich daher Kiefernholz.

Die Platte hat eine Länge von 43 cm, eine Breite von 11 cm und einer Stärke von 1,5 cm. Im Beispiel ist die Ferse abgerundet. Mit einer Elektrostichsäge lässt sich auch eine Spitze, an der später das Becken befestigt wird, aussägen. Als Zeichenschablone für die Spitze wurde ein Bügeleisen verwendet. Für die Ferse kann eine Tasse als Zeichenschablone dienen.

Zur Vorbereitung der Montage des Klappscharniers wurde auf der Unterseite eine Verstärkung aus Bootsbauersperrholz mit einer Stärke von 1 cm, Länge von 7 cm und Breite von 8 cm verleimt und verschraubt. Die Position der Verstärkung befindet sich in einem Abstand von 6 cm zum äußersten Punkt der abgerundeten Ferse am Ende des Pedals.

Montage des Scharniers

Das Stahl-Scharnier hat eine handelsübliche Größe (Baumarkt). Die Breite beträgt 8 cm, die Länge in geschlossenem Zustand 4 cm. Die Stärke beträgt 1,2 mm. Das Scharnier sollte jeweils drei Bohrungen für die Verschraubungen enthalten. Eine Variante wäre der Einbau eines Sprung-Scharniers, welches ebenso wie das hier verwendete Scharnier einzubauen ist.

Schritt 1: Scharnier mit der Grundplatte verschrauben. Das Scharnier muss mittig auf der Grundplatte sitzen und einen Abstand zum hinteren Ende der Grundplatte von 4 cm haben. Für die Verschraubungen genügt hier die Verwendung von Holzschrauben mit der Länge von 2 cm.

Die Abbildung zeigt das Scharnier, welches die Bodenplatte mit dem Pedal verbindet. Zum Aufsetzen des Scharniers wurde die Pedalunterseite verstärkt.

Schritt 2: Pedalplatte genau mittig zur Grundplatte einpassen und die Bohrungen auf der unteren Seite auf der Verstärkung der Pedalplatte markieren. Der Abstand des Scharniers zum äußerten Punkt der Ferse beträgt 6 cm. Das Scharnier mit drei Bolzen mit der Pedalplatte verbinden. Die Muttern der Bolzen auf der Oberseite des Pedals im Holz versenken und die Versenkung mit Polyester-Spachtelmasse füllen und glätten. Die Länge der Bolzen beträgt 3 cm. Der Durchmesser richtet sich nach dem Bohrungsdurchmesser des Klappscharniers.

Mit dieser Abbildung wird die Versenkung der Bolzenmuttern auf der Oberseite des Pedals deutlich. Die Löcher werden mit Kunstharz gefüllt. Die Füllungen sind nach der Montage der Antirutschfläche nicht mehr sichtbar.

Montage der Antirutsch-Fläche

Damit der Fuß nicht von Pedal abrutschen kann, sollte die Oberseite des Pedals mit einer Antirutschfläche versehen werden. Hier, im Beispiel, wurde diese Fläche aus Neopren in einer Fußform ausgeschnitten. Die Verklebung erfolgt mit transparentem Polyesterharz, welches auch gleichzeitig als Lackierung der Oberseite des Pedals dienen kann.

Nicht ganz einfach ist das Ausschneiden von Neopren als Antirutschfläche für das Pedal. Weniger aufwendig wäre das Bekleben des Pedals mit handelsüblichen und selbstklebenden Antirutsch-Folien.

Allgemeine Hinweise zur Arbeit

Nicht jeder hat eine Profi-Werkstattausrüstung. Die Arbeiten für den Snowshoe lassen sich jedoch mit wenigen Hilfsmitteln ausführen. Hierzu gehören eine elektrische Stichsäge, eine Schleifmaschine, Schraubzwingen und eine Bohrmaschine.

Bohrungen stets mit geringem Bohrer-Durchmesser beginnen und dann in Zwischenstufen bis zur Endgröße vorarbeiten. Das verhindert Splisse im Holz an den Stellen, an denen der Bohrer austritt. Das zu durchbohrende Holzstück immer auf eine Holzunterlage legen und mit wenig Druck bohren.

Das Versenken von Schraubenmuttern und Schraubenköpfen im Holz lässt sich mit einem konischen (zugespitzten) Fräsenkopf (z. B. an einem Dremel oder einem Akkubohrer) problemlos ausführen.

Beim Schleifen von Kanten und Rundungen möglichst das Werkstück in der Hand halten und über das Schleifgerät gleitend führen. Das Schleifgerät (z. B. einen Eckenschleifer) erhält Halt, wenn es in einem Schraubstock mit Stoff umwickelt fixiert wird.

Versuch und Irrtum

Wie immer lernt man durch Versuch und Irrtum. 🙂

Es hat nich sofort alles so geklappt, wie der Autor dieses Artikels es sich gedacht hat. Wenigstens konnte die Werkstatt so warm gehalten werden.

Den Snowshoe im Einsatz könnt Ihr hier hören und sehen. Bis sehr bald und der Autor freut sich über Fragen und Anregungen.

Christian W. Eggers

(Letzte Aktualisierung dieses Beitrags am 21.12.2020)

Selbstbau eines Wire Beaters (Coat Hanger)

Aktualisiert am 29.12.2020

Auf Grund des überraschenden und mich sehr freuenden Interesses am Wire Beater der New Orleans Brassbands (Artikel „New Orleans Drumming – Von der Brassband zum Rock ’n‘ Roll“), hier nun eine detallierte Bauanleitung.

Im Handel sind diese, auch „Coat Hanger“ genannten, Becken-Beater nicht zu bekommen. Sollte jemand mehr Glück haben als ich, bitte ich um Nachricht! Gefunden habe ich nur einen Hersteller in New Orleans für die Brassband Uniformmützen. So ein Ding setze ich mir aber erst auf, wenn ich das Spiel mit dem Wire Beater besser beherrsche. -)

Demonstration der Sound-Variationen beim Spiel mit dem Wire Beater. Ähnlich wie beim Besen-Spiel kann auch der Schaft mit einbezogen werden. Mit dem Beater ist es möglich, kurze und scharfe Klänge wie auch weich ausklingende Klänge der Becken-Glocke zu erzeugen.

Der Klang des Wire Beaters ist nicht mit einem Stick nachzuahmen. Mit dem Beater entsteht der Schwung „nach vorne“ der Brass Band Becken und mit dem Spiel um die Beckenkuppe herum ein eigentümliches metallisches „Tsching“. Dieses sollte ursprünglich den Klang zweier aneinander geschlagener Marschbecken imitieren.

Also, los geht es mit dem Selbstbau des Wire Beaters

New Orleans Second Line Wire Beater. Selbstbau mit vier 2 mm Drahtseilen. Fotos historischer Beater darf ich bisher nicht zeigen, da ich von den US-Museen trotz freundlicher Anfragen und Vergütungsangeboten bisher keine Lizenz erwerben konnte.

Das obige Foto zeigt den fertigen Beater. Die vier dünnen Drahtseile (jeweils 2 mm Bodenzüge) ermöglichen ein besseres Schwingen als ein einzelner starker Draht. In historischen Darstellungen zur Parade der Brassbands sind auch häufig mehrfach ineinander geflochten einfache dünnere Drähte zu sehen. Diese, so habe ich festgestellt, neigen zur Ermüdung und sie verformen sich.

Bauanleitung: Mit sechs Schritten zum Wire Beater.

Zum Verkleben der Drahtseile im Holz und der weißen Kunstoffkappe auf dem Holz habe ich ein 2-Komponenten Epoxidharz aus dem Baumarkt (Autozubehör) der Marke „presto“ verwendet.

Die sehr stabile Bauweise des New Orleans Second Line Wire Beaters: Selbstbau mit vier 2 mm Drahtseilen und deren Befestigungen mit Kunstharz im Holz und mit einer Kappe.

Zwischen Holz und Draht ist eine Kunststoff-Kappe verklebt. Damit soll mehr Stabilität erreicht werden, so dass sich die Drahtenden nicht aus den Bohrungen im Holz lösen. Als Kappe habe ich einfach einen sogenannten Lampen-Kabel-Distanzaufhänger (auch aus dem Baumarkt, Abteilung Lampen und Elektro) verwendet. Die als Mutter der Schraube fungierende Seite wird durchbohrt, über den Draht gezogen und dann großzügig verklebt. Insbesondere ist es wichtig das flüssige Epoxidharz in die Zwischenräume zu gießen, so dass die Drahtenden umschlossen sind. Dem Aushärten können Ungeduldige etwas mit einem Haartrockner nachhelfen.

Das Foto zeigt die Bohrung am Griffende für einen Metallbolzen. Dieser dient zum Gewichtsausgleich der Drähte. So liegt der Beater gut in der Hand und kann wie ein Stick balanciert werden.

Die Spielweisen mit dem Wire Beater sind in dem großartigen Buch „100 YEARS OF NEW ORLEANS DRUMMING“ von Antoon Aukes nachzulesen und mit der beigelegten CD anzuhören und zu erlernen.

Ein klein wenig verrückt muss man schon sein dürfen als Schlagzeuger. Ich wünsche viel Spaß beim Ausprobieren und Experimentieren!

Und: „Come on Zutty, wihp them cymbals Pops!“ Spielanweisung von Louis Armstrong an Zutty Singleton (Louis Armstrong and his Hot Five “A Monday Date“).

Christain (15. November 2020; aktualisiert am 27. Januar 2021) Der Autor dieses Artikels freut sich über Austausch christian@stompology.org

New Orleans Drumming – Von der Brassband zum Rock ’n‘ Roll

Stelle dir vor, du spazierst etwas müde an einem langweiligen Sonntagnachmittag durch die Straßen deines Viertels. Aus der Ferne hörst du Blasinstrumente und Marschtrommeln. An einer Kreuzung zieht jetzt eine seltsame Parade vorbei: eine Blechkapelle (Brassband) „Bum-Tsching-Bum-Tsching, Bum-Tsche-bum Tsching“, gefolgt von einer tanzenden Gesellschaft (Second Line), bunt gekleidet, Tücher und Schirme werden geschwenkt. Wer nichts zum Schwenken dabei hat, klatscht einfach im Rhythmus mit.

Beschwingten Schrittes, ein wenig „second lining“, gehst du nach Hause. Wenn du nicht das Glück hattest, einer guten Brassband zu begegnen, dann kann dich dieses Hörbeispiel vielleicht jetzt in das Second Line Feeling bringen.

Dejan’s Olympia Brass Band New Orleans

Kurze Geschichte zum Second-Line Drumming

Second-Line Drumming geht auf das Zusammenspiel eines Snare Trommlers und eines Marching-Bassdrum Trommlers zurück. Auf der Snare wurden ursprünglich aus der Militärmusik übernommene Pressrolls und Rudiments gespielt. Das Spiel auf der Marching- Bassdrum, aufgerüstet mit einem kleinen Becken, sorgt für ein afrokubanisches Flair.

Waren und sind Brassband Paraden meist in New Orleans zu Festen (Mardi Gras) und Beerdigungen von Jazz Musikerinnen und Musikern anzutreffen, ist das  Second-Line Feel über New Orleans hinaus verbreitet. Mit der Zusammenführung der Second-Line Beats auf einen Musiker am Drumset entstand das rhythmische Fundament für den Jazz und in den 50er Jahren für die Stilrichtung „New Orleans R&B“.

Second-Line Grooves am Set

Einen großen Hit hatte 1957 Fats Domino mit „I‘m Walking“. Schlagzeuger Earl Palmer war als Second-Line Spezialist an der Verbreitung des „Second-Line Grooves“ maßgeblich beteiligt. Den Song kannst du hier anhören.

„Palmer was one of the most prolific studio musicians of all time and played on thousands of recordings, including nearly all of Little Richard’s hits, all of Fats Domino’s hits, „You’ve Lost That Lovin‘ Feelin'“ by The Righteous Brothers, and a long list of classic TV and film soundtracks. According to one obituary, „his list of credits read like a Who’s Who of American popular music of the last 60 years“.

Wikipedia über Eral Palmer

Neben Antoon Aukes und Johnny Vidacovich beschäftigen sich heute nur wenige weitere Musiker mit der historischen Spielweise, die auf das Set übertragen wird. Wenn sie es jedoch tun, dann meist sehr leidenschaftlich. Das Video zeigt Johnny Vidacovich, die historische Spielweise eines Second-Line Groove am Set ab Minute 1:55 demonstriert.

https://www.youtube.com/watch?v=woprPaIX9dA

Charakteristik der Second-Line Grooves

Die charakteristischen Merkmale der afrokubanisch und durch die europäische Marschmusik geprägten Second Line Grooves sind

  • das Spiel der Marsch-Basstrommel und des an ihr befestigten kleinen nachklingenden Beckens im Two-Beat, ergänzt durch Double Down Beats;
  • das Spiel auf der kleinen Trommel, der Snare, mit der Übernahme von Press Rolls in verschiedenen Kombinationen von Einzelschlägen mit ihren Akzenten sowie
  • in 2-taktigen Figuren ein kräftiger Akzent auf der Zählzeit Vier
  • alle Achtel-Schläge werden in triolischer Dehnung (also im Swing) gespielt.
Beispiel für den Part der Bass-Marschtrommel mit Becken: Two-Beat Spielweise mit Double Down Beat auf der Vier im zweiten Takt

Das Notenbild (nachfolgende Abbildung) zeigt eine binäre Darstellung. In der Umsetzung am Drumset ist ein „triolisches Gefühl“ wichtig, damit der Groove sein Second-Line Flair behält.

Schlagzeug-Noten New Orleans Drumming
Wie es begann und wo es alles her kommt.

Tipps zum Einüben

  • Einen Einstieg in die Spielweise, kannst du dir gut verschaffen, indem du die Melodie der Bassdrum und der Hi-Hat zunächst mit den Händen trommelst (siehe Video „Wire Beater“ oben).
  • Das Fundament ist der Two-Beat. Bleibe dem Wechsel zwischen Bassdrum und getretener Hi-Hat mit einem etwas hüpfenden Gefühl treu. Dieses „triolische“ Gefühl wirkt sich auf den Schwung der einzelnen Schläge enorm aus. Die Bassdrum Offbeats (2-Und) klingen nicht zu „straight“, wenn sie in der Two-Beat Spielweise Luft für den oben gezeigten Double Downbeat behalten.
Spielweise des Basis-Grooves im New Orleans R&B Stil. Etwas „gerader“ als der Ursprungs-Groove der Brassbands.

Eine rockige Version dieses Grooves wurde 1973 mit dem Song Ballroom Blitz der Glam Rock Band The Sweet berühmt.

Der Wire Beater

Den speziellen „scharfen“ Beckenklang der historischen Spielweise erzeugt der Wire Beater. Es lohnt sich, damit ein wenig zu experimentieren und vielleicht kommen damit auch Ideen, diese Klänge am Drumset umzusetzen.

Basstrommel, ein kleines Becken, Schlägel mit Filzkopf und natürlich den Wire Beater: Die Ausrüstung des Brassband Basstrommlers.

Da ich einen Wire Beater („Coat Hanger“) nicht im Handel gefunden habe, war eine Bastelstunde notwendig. Eine Bauanleitung für einen Wire Beater findest Du hier. Viel Spaß beim Ausprobiern, Üben und Experimentiern! Kritik und Anregungen wie immer willkommen unter christian-w-eggers (at) t-online.de

(Letzte Aktualisierung dieses Beitrags am 11. November 2021)

Quellen:

  • Second Line – 100 Years Of New Orleans Drumming, Antoon Aukes (C. L. Barnhouse)
  • Handbuch der populären Musik (Schott)
  • Reclams Jazzlexikon (Reclam),
  • Wikipedia über Earl Palmer
  • The Commandments Of Early Rhythm And Blues Drumming, Daniel Glaas, Zoro

Übung – Turnaround Fill-in

In diesem Artikel geht es um die Spielweise im Turnaround eines Songs. Turnarounds kommen in Songs vor, die nach dem sogenannten Bluesschema aufgebaut sind. Das sind nicht nur Blues-Songs, sondern auch Kompositionen die dem Jazz, Boogie Woogie, Rock’n’Roll und dem Soul zugeordnet werden.

Turnarounds markieren das Ende eines Chorus und leiten zum neuen Chorus über

Gemeinsam ist den Songs im Blues-Schema, dass sie keine Verse und keinen Refrain im eigentlichen Sinn enthalten. Die inhaltliche Thematik spielt sich innerhalb von meist zwölf  oder acht Takten in der „Bluesform“ ab. Spannung und Steigerung werden durch den harmonischen Bogen von Tonika, Subdominante und Dominante erzeugt.

Typisches (Gitarren-) Intro eines Bluessongs: Der chromatische Lauf, hier als Triolen in der Tonart E gespielt, setzt auf der Zählzeit Zwei des ersten Taktes ein. Es folgt ein weiterer Takt bestehnd aus E im ersten Viertel und H7 im zweiten, dritten und vierten Viertel. Danach geht es dann endlich los. Dieses Intro wiederholt sich im Turnaround (siehe unten) und kann durch Drum Fills an Dramatik gewinnen.

Ein 12 Takte Bluessong beginnt nach dem Intro mit vier Takten Tonika (hier E7); es folgen je zwei Takte Subdominante (hier A7) und Tonika, je ein Takt Dominante (H7) und Subdominante und wieder zwei Takte jeweils als Tonika und Dominate. Die letzten beiden Takte bilden den Turnaround.

So einen Bogen nennt man Chorus . Ist er „durchgespielt“ folgt der nächste Chorus in gleicher Spielweise. Damit es nicht langweilig wird, werden die Chorusse an ihren Übergängen hervorgehoben. Man hört also genau, wo ein neuer Chorus beginnt. Diese Hervorhebung wird Turnaround genannt. Er markiert über zwei Takte das Ende eines Chorus und leitet zum nachfolgenden Chorus über (siehe Abbildung). In einem 12 Takte Bluessong sind dieses die Takte 11 und 12 und in einem 8 Takte Bluessong erfolgt der Turnaround in den Takten 7 und 8.

Eine häufige Form neben dem zwölftaktigen Chorus ist der achttaktige Bluessong-Ablauf. Die ersten vier Takte bilden den „Call“, eine Fragestellung, die letzten vier Takte mit dem Turnaround gehören der Beantwortung, „Response“ genannt.

Fill-ins zur rhythmischen Gestaltung des Turnarounds

Schlagzeug Fill-ins sind kurze Variationen oder Erweiterungen der Groove-Schlagfolge und sie markieren die Wendepunkte in einem Song. So ein Wendepunkt ist natürlich auch ein Turnaround.

In einem 8-taktigen Bluesschema bietet es sich an, ein Fill-in nur im letzten Takt des zweitaktigen Turnarounds zu spielen. In der obigen Abbildung kannst Du als Beispiel sehen, wie Du Fills im Turnaround anbringen kannst.

Auf der Vier enden

Den Variationsmöglichkeiten zur Markierung des Turnarounds sind kaum Grenzen gesetzt. Wichtig ist jedoch, dass der Fill das Ende des letzten Taktes deutlich hervorhebt. Die Schlagfolge sollte also auf der Vier des zweiten Taktes eines Turnarounds enden.

Nicht so „jazzig“ klingt es, wenn Turnaround-Fills zur „Eins“ des neuen Chorus führen und diese dann – so wie in der Rockmusik und im Bluesrock passend – krachend betonen.

Passend ist es, auf der Vier des letzten Taktes des Chorus eine Markierung durch einen Akzent zu setzen (siehe Abbildung „Variationen) und damit den Abschluss eines Spannungsbogens und der innerhalb dieses Bogens den Response-Teil zu besiegeln. Der Fill entspricht damit der Dramaturgie eines Blues-Songs.

In diesem Hörbeispiel sind die Akzente mit den Besen sehr laut gespielt. So kannst du genau hören, wo sie „sitzen“. Im Zusammenspiel mit der Band geht es natürlich dezenter angemessen. Die 2-taktigen Fills entsprechen den oben in der Grafik gezeigten Noten.

Beispiel Fill-in im letzten Takt eines Chourus „Ugeda Fill“

Nachfolgendes Beispiel zeigt einen Fill, bestehend aus einer Viertel und Achtel Kombination (wie oben in der Variante 2 gezeigt) und einem Snare und Becken Akzent auf der Vier. Der Fluss und das Gefühl beim Spielen ist dabei „dreigeteilt“. Man kann es auch so sehen und hören: Die Bassdrum ersetzt auf der 1, 2 und 3 jeweils das erste Triolenachtel einer Achteltriole.

Hörbeispiel für einen „Ugeda-Fill“
Die Laut-Melodie kann Dir helfen, diesen Fill umzusetzen: „Ugeda – Ugeda – Ugeda – Peng“. Die Melodie lässt sich durch unterschiedliche Akzente natürlich individuell und je nach Können noch viel Abwechslungsreicher gestalten.

Ich wünsche viel Spaß beim Ausprobieren und der Fortentwicklung der Turnaround-Fills.

Christian W. Eggers – 18. Juni 2021 – christian@stompology.org

Quellen

  • Fritsch, Kellert, Lonardoni: Harmonielehre und Songwriting, Leu-Verlag
  • Kellert, Peter; Fritsch, Markus: Arrangieren und Produzieren, Leu-Verlag
  • zum „Ugeda-Fill“: Andy Gillmann; Top 10 Fills & Licks, CD, Leu-Verlag

„Crazy Man, Crazy“ – Berühmte Grooves

Mit „Crazy Man, Crazy“ hatte Bill Haley 1953 seinen musikalischen und kommerziellen Durchbruch. Haley war zuvor Country Musiker und er suchte gezielt nach einer Synthese aus den Musikstilen Country, Western Swing und R&B. Nach anfänglichen Misserfolgen sollte die neuartig klingende Verbindung der Stile Geschichte machen.  Sie bestand aus der Country Musik Instrumentation, dem bisher bekannten New Orleans R&B und dem Jump Blues der Großstädte. Der Begriff „Rock’n’Roll“ für diese Synthese hat sich wenige Jahre später etabliert. Die heutige Bezeichnung für diesen von Bill Haley hartnäckig und angeblich gegen Vorbehalte der „weißen“ Plattenfirmen erarbeiteten R&B im Country Sound ist „Rockabilly“.

Anhören kannst Du den Song auf YouTube hier.

„When i go out

and i want a treat

i find me a band with a solid beat“

Der Song

„Crazy Man, Crazy“, geschrieben von Bill Haley und seinem Bass-Spieler Marshall Lytle, ist eine der ersten Veröffentlichungen mit der neuartigen Spielweise. Ein eigenständiges und prägendes Merkmal dieser neuen Stilistik war der exzessive Gebrauch der Slap-Technik am Kontrabass, die den behäbigen „Walking Bass“ des Jump Blues ablöste. Dabei wurde im Wechsel aus Zupfen und Schlagen ein perkussiver Shuffle Groove erzeugt. Der im April 1953 von „Essex Records“ veröffentlichte zweieinhalb Minuten lange Song vermittelt durch das lebendige Spiel von Schlagzeuger Billy Gussak Übermut und Lebensfreude.

Der Groove

Der nachstehend gezeigte Groove (Basis „Rim of Snare“ in der ersten Notenzeile der Abbildung) mit der Refrainzeile „Crazy Man, Crazy“ setzt ab dem neunten Takt ein. Es handelt sich um einen in zwei Takte unterteilten Shuffle, der synchron zum Slap-Kontrabass die Achtel auf dem Spannreifen (Rim) der Snare „Hand to Hand“ klickern lässt.

Im zweiten Takt des Basis-Grooves erfolgt auf der „Drei-Und“ statt des Rim-Schlages ein Snare-Schlag. In der Bridge, im Instrumentalsolo Chorus und im Outro (Fadeout) wechselt der Groove in den traditionellen Swing-Ride auf dem Becken und der „Zwei“ und „Vier“ (konstanter Backbeat) auf der Snare.  

Der antreibende Snare-Akzent auf der „Drei-Und“ ist durch seinen Klang (es ist ein deutliches Echo zu hören) und die kräftige Spielweise für die damalige Zeit ungewohnt dominant. Darüber hinaus variiert Gussak mit Witz in diesem Groove das New Orleans Shuffle Gefühl im Spiel auf dem Spannreifen mit einem lockeren und leisen Wechsel einzelner Schläge auf dem Snare-Fell. Es entsteht der Eindruck, als kommuniziere das Schlagzeug spontan und assoziativ mit einzelnen Textzeilen des Gesanges.

Besonderheiten

Das Intro

Ein kurzes Schlagzeugsolo als Intro, bestehend aus Achteltriolen in einer Einzelschlag- und Pressroll-Kombination auf der Snare sorgt für einen mitreißenden Einstieg in den Song. Ursprünglich hervorgegangen aus der Militärmusik, dem sogenannten Lockmarsch (der „Locke“) wurde diese Technik im frühen New Orleans Jazz dem „triolischen Feel“ angepasst und später von Buddy Rich und Gene Krupa mit den raffiniertesten Akzentverschiebungen zu einem der spektakulären Markenzeichen des hochentwickelten Bigband Drumming der 30er und 40er Jahre (siehe Notenzeile drei und vier in der Abbildung).

„Stick on Stick“ Einwurf

Im Übergang des zweiten Hookline Chorus zum ersten Strophen-Durchgang (16. Takt) folgt ein eintaktiger markanter Einwurf. Dabei wird der Shuffle Groove (bis auf den sehr leisen Press-Schlag auf der „Zwei-Und“ sowie der pausierenden „Vier-Und“) unverändert fortgesetzt. Mittels der „Stick on Stick“ Technik auf der Snare springt die Schlagfolge durch ihren Klang scharf aus dem Slap und Rim Sound des Basis Grooves hervor (siehe zweite Notenzeile in der Abbildung).

Der Drummer – Billy Gussak

Billy Gussak war ein vielbeschäftigter Jazz Drummer, der sich überwiegend auf die Studioarbeit konzentrierte. Seine energisch konstanten Backbeats (Hervorhebung der Zählzeiten Zwei und Vier in 4/4-tel Takten) und überlauten Snare Akzente (u.a. in „Rock Around The Clock“) wurden zunächst das Markenzeichen von „Bill Haley and His Comets“ und trugen wesentlich zur Entwicklung des „Rock’n’Roll“ bei. Der durchgespielte Backbeat wurde Standard. Die Aufnahmen Gussaks mit Bill Haley klingen nach über einem halben Jahrhundert immer noch so unverbraucht, als seien sie gerade heute den Studio Sessions entsprungen.

Quellen: Handbuch der populären Musik (Schott), Reclams Jazzlexikon (Reclam), Wikipedia, The Commandments Of Early Rhythm And Blues Drumming, Daniel Glaas, Zoro