Der Sun Records Inhaber und Produzent Sam Phillips hatte nicht nur die Fähigkeit Talente wie Elvis Presley, Johnny Cash und Howlin‘ Wolf zu ihren Werdegängen zu verhelfen. Sam Phillips war auch ein begnadeter Tüftler im Bereich der damals noch sehr bescheidenen Studiotechnik.
1954 hatte Sam Phillips sein Studio aufgerüstet und zwei Ampex 350-Recorder installiert: einen als Konsolenmodell und einen anderen, der hinter seinem Kopf für das Bandverzögerungsecho oder Slapback montiert war. (1)
Es entstand der typische Sun Records Sound, der wohl ewig mit den Stimmen von Johnny Cash und Elvis Presley verbunden bleiben wird.
Wie das Sun Record Echo „nachgebaut“ werden kann
Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei dem legendären Sun Records Echo um zwei Bandmaschinen, die gleichzeitig dasselbe aufnehmen und wiedergeben. Das zweite Bandgerät („Echogerät“) spielt die Aufnahme etwas später ab als das erste, wodurch das Bandecho entsteht.
Die Länge der Verzögerung richtet sich nach der Bandgeschwindigkeit des Gerätes, an das ein zweites Mikrofon im Aufnahmeraum (mit etwas Entfernung zum eigentlichen Aufnahme-Mikrofon) angeschlossen ist. Laufen beide Bandgeräte mit der gleichen Geschwindigkeit, ensteht das typische Sun Records Echo: kurz, dezent und warm.
Ist der Effekt auch mit eher bescheidenen Studioausrüstungen zu erreichen? Und wie! Das Video zeigt, wie es geht.
Christian W. Eggers – 14. Mai 2023 – christian@stompology.org (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 14. Mai 2023)
Fragt man Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger, welcher Song die Begeisterung für die Trommeln geweckt hat, wird häufig der Instrumental-Hit Let There Be Drums von Sandy Nelson aus dem Jahre 1961 genannt.
Das Einüben der fünf Basis-Figuren von „Let There Be Drums“ am Set gezeigt
Einige Songs begleiten einen ein Leben lang und immer wieder entdeckt man Neues. Manchmal nur Nuancen und manchmal Fundamentales. Man ist eigentlich nie „fertig“ und das Üben ist der Weg.
Vielleicht lädt das 3,5 Minuten lange Video mit Erklärungen, Audios und Noten zur Beschäftigung mit einem der aufregendsten Drum Grooves der Pop-Geschichte ein. Einen Artikel über die Spielweisen von „Let There Be Drums“ findest Du hier.
Christian Eggers – 16. April 2023 – christian@stompology.org (letzte Aktualisierung am 6. Mai 2023)
In der Musikwissenschaft wird Stop-Time so beschrieben: Im Stepptanz, Jazz und Blues ist stop-time ein Begleitmuster, das die normale Zeit unterbricht oder anhält und regelmäßig akzentuierte Angriffe auf den ersten Schlag jedes oder jedes anderen Taktes aufweist, abwechselnd mit Stille oder Instrumentalsoli. (https://en.wikipedia.org/wiki/Stop-time)
Puh! Wer versteht das, ohne es zu hören? Hier ist ein Beispiel für den Archetyp eines Stop-Time Blues zu hören: Hoochie Coochie Man
Buddy Guy & Eric Clapton – 15 – Hoochie Coochie Man – Live 2007
Der Groove gehörte in den 50er und 60er Jahren mit Variationen in das Standard-Repertoire der R&B Bands. Der Klassiker „Hoochie Coochie Man“ wurde von Willie Dixon komponiert und aufgenommen von Muddy Waters 1954 bei Chess Records.
Es geht aber auch mit mehr Tempo, ohne dass die Spannung verloren geht. Bo Diddley reduzierte das Muster auf eine Hookline ohne weitere Songelemente. „I’m Bad“ erschien erstmals 1955 als Single des Chess Records Labels „Checker“ in Chicago. Den Song kannst Du auf YouTube hier anhören.
Das „Stop-Time-Gefühl“
Sparsam instrumentiert „funktioniert“ der Groove durch ein ständig wiederholtes Gitarren-Riff, auf dessen „Stop“ kein „Go“ der Gitarre folgt. Vielmehr werden die Pausen durch Sprechgesang gefüllt. Das erzeugt eine hypnotische Wirkung.
Ein einfaches Riff in „stop-time“ gespielt
Vorschlag zur Spielweise am Schlagzeug
Die Noten zeigen den Percussion-Part (Drums und Maracas) von „I’m Bad“. Die Maracas sind mit „X-Unterstrichen“ notiert. „I’m Bad“ von Bo Diddley basiert gegenüber anderen Blueskompositionen stringent auf der unten gezeigten markanten Figur (siehe Noten). Es gibt keine „Auflösung“ der mit dem Groove erzeugten Spannung in einem weiteren Teil der Komposition.
Eine etwas bewegtere Variante ist es den Groove als Double-Hand-Shuffle auf der Snare und der Hi-Hat gleichzeitig zu trommeln. Auf der „Vier“ erfolgt dann eine Achtel-Triole die im folgenden Audio-Beispiel R L R gespielt wurde. Etwas agressiver klingt es, wenn die Triole mit nur einer Hand gespielt wird.
Ein Beispiel für einen „stop-time Shuffle“
Die durchgehende Abfolge von Shuffle-Achteln und ausgespielten Triolen kann wie folgt zum Einüben gezählt werden: „1-Und, 2-Und, 3-Und, Tri-Oh-La“
Und hier die Band zusammen im „stop-time-feel“ mit ein wenig Probenraumatmosphäre 🙂
Die Drummer von Bo Diddley – „I’m Bad“
Frank Kirkland (oder Clifton James?) (Drums) und Jerome Green (Maracas) waren Session Musiker bei Chess Records in den 50er Jahren. Beide Musiker wurden an diversen Bo Diddley Produktionen beteiligt. Green, ursprünglich ein Tuba Spieler und Jazz Musiker, hatte mit seinem Maracas-Spiel einen großen Einfluss auf den Bo-Diddley-Sound. Kirkland (oder Clifton James?) kann für sich in Anspruch nehmen, die auch noch heute in modernen Popproduktionen zu hörende Schlagfolge des „Bo Diddley Grooves„ des Songs „Bo Diddley“ erfunden zu haben.
Christian W. Eggers – 19. März 2023 – christian@stompology.org (Letzte Aktualisierung dieses Artikels am 26. März 2023)
In diesem Artikel geht es um die Erfahrungen beim Ausprobieren des Bandsättigungseffektes bei der Aufnahme eines akustischen Drumsets.
Dem Bandsättigungseffekt wird zugeschrieben, dass eine Aufnahme kompakter klingt, ohne dass ihr die „gefühlte“ Dynamik geraubt wird. (1) Daher ist es kein Wunder, dass dieser Effekt besonders in Rockmusik-Produktionen nicht nur digital simuliert wird, sondern auch heute gelegentlich wieder mit „echten“ Bandmaschinen erzeugt wird.
Ist der Effekt eigentlich auch im Home-Studio mit einer Bandmaschine, die nicht gleich den Preis einer Hochseeyacht hat, herzustellen? Hört man tatsächlich einen solchen Tape-Sound im Vergleich zu einer rein digitalen Aufnahme, die ohne Bandsättigungseffkte wiedergegeben wird?
Testbedingungen für den Bandsättigungseffekt
Für den Test wurde eine Bandmaschine MX-55 von Otari genutzt. Das akustische Schlagzeug wurde zunächst digital mit der Software Audacity aufgenommen. Dem Schlagzeug-Intro „Do It Again“ (Beach Boys) wurde ebenfalls digital der markante Delay-Effekt dieses Intros hinzugefügt. Hier kannst du den Song auf YouTube anhören: https://www.youtube.com/watch?v=fmHEX7QI4KU
Zwei dynamische Mikrofone kamen zum Einsatz: eines vor der Bassdrum und eines zwischen Hi-Hat und Snare. Die Aufnahmen wurden nach Hinzufügen des digitalen Delay-Effektes nicht weiter verändert. Es ist nachfolgend lediglich das zu hören, was ohne den Einsatz von Klangregelungen und weiteren Effekten aufgenommen wurde.
Die digitale Rohaufnahme
Hier ist die Original-Aufnahme ohne Delay als Ausgangsmaterial für den Test zu sehen und zu hören. Die Rohdatei des Intros wurde aufgenommen mit einem akustischen Drumset in einem nahezu schalltoten Raum. Das klingt steril, statisch, langweilig und ein wenig nach erster Stunde Schlagzeugunterricht.
Das Ausgangsmaterial gnadenlos digital ohne Raumklang und Effekte
Hinzufügen des Delays
Anschließend wurde der Delay-Effekt des Schlagzeug-Intros Do It Again programiert.
Das Einstellen des Delays für das Intro des Songs „Do It Again“ von den Beach Boys. Das Intro bekommt damit seine individuelle Note und Lebendigkeit
Hier ist der Effekt zu hören. Nicht ganz so schön wie bei den Beach Boys, aber doch wiedererkennbar
Aufnahme mit der Bandmaschine
Die digitale Aufnahme mit dem Delay-Effekt wurde anschließend über ein Interface in ein Mischpult mit neutraler Einstellung der Klangregelung zur Aufnahme an die Bandmaschine geschickt.
Die Bandgeschwindigkeit betrug 38 cm/s. Das Signal wurde dabei deutlich hoch bis kurz vor das dauerhaft rote Aufleuchten der analogen Peak-Anzeige zur Bandmaschine ausgegeben.
Hier ist das vom Tonbandgerät ausgegebene Signal zu hören. Schade, dass dieses im Internet nur digital zu vermitteln ist.
Überspielung mit einem Röhrentonbandgerät
Im letzten Schritt wurde die Aufnahme des Transistorgerätes Otari wiederum mit einem Röhrentonbandgerät aufgenommen. Hierfür stand ein Gerät von 1958 von Grundig mit der Bezeichnung TK 30 zur Verfügung.
Tonbandgerät TK 30 von Grundig aus dem Jahre 1958
Zusätzlich zur Bandsättigung der ersten Aufnahme mit der Otari sollte der Sättigungseffekt des Bandes nochmals durch Wiederholung verstärkt werden und die Röhrenkompression der Schlagzeugaufnahme hinzugefügt sein. Dazu wurde die Aufnahme hoch ausgesteuert mit dem Grundig-Gerät aufgenommen.
Das Mono-Signal aus dem Röhrentonbandgerät hier sichtbar bei der Digitalisierung mit des Software Audacity
Über ein analoges Mischpult wurden dieser letzten Aufnahme vor der Digitalisierung erstmals Tiefen und Höhen über die Klangregelung hinzugefügt.
Fazit
Was ist nun dran an der Bandsättigung? Ich war skeptisch, ob mit dem vorhandenen Studio-Equipement der Bandsättigungseffekt hörbar zu machen ist. Ein wenig schon, meine ich.
Vermutlich geht das alles viel schneller mit einer entsprechenden Software und wohl kaum jemand wird Unterschiede hören. Die Bandaufnahmen klingen ein wenig „schmutzig“. Auch das lässt sich digital sicher leicht simulieren.
Was lässt sich eigentlich nicht simulieren? Im Zuge der Künstlichen Intelligenz wird wahrscheinlich auch die Musikproduktion nochmals einen Sprung in Richtung „Simulation menschlicher Aktivität und Kreativität“ machen.
So aufzunehmen, wie hier gezeigt, macht Spaß. Eine Spielerei, die sich „anfassen“ lässt und deren Ergebnis eben nicht auf Simulation basiert.
In professionellen Produktionen für den Musikmarkt dürfte dieser Luxus an Zeitaufwand für diesen Effekt wohl nur in Ausnahmefällen Platz finden.
Über Kommentare und Zuschriften würde ich mich sehr freuen.
Christian W. Eggers – 11. März 2023 – christian@stompolog.org (letzte Aktualisierung dieses Artikels am 15. März 2023)
Wie sehr Teamwork einen Groove prägen kann, er nicht allein die Sache der Drummer ist, wird im Intro des Beach Boys Songs „Do It Again“ aus dem Jahre 1968 beispielhaft hörbar. Neben Schlagzeuger Dennis Wilson, dem Jazzmusiker John Guerin (Tamburin und Holzklötze) und dem Hand Clapping der Beach Boys hatte Tontechniker Stephen Desper einen prägenden Anteil am Charakter des Rhythmusparts von “Do It Again“.
Doch der Reihe nach!
Der Song
Thema des Songs ist die wehmütige Betrachtung vergangener unbeschwerter Tage in der Gesellschaft von Freundinnen und Freunden an den kalifornischen Stränden.
Well I’ve been thinking about All the places we’ve surfed and danced and All the faces we’ve missed so let’s get Back together and do it again Ow! Come on and do it again
Letzte Strophe „Do It Again“
Wie so häufig in den Kompositionen der ungleichen Temperamente Brian Wilson und Mike Love gelingt eine 2:30 Minuten Symphonie unerwarteter musikalischer Wendungen mit der den Beach Boys eigentümlichen Portion trotziger Lebensfreude und sanfter Melancholie.
Die Komponisten des Songs Mike Love und Brian Wilson bezeichneten „Do It Again“ in verschiedenen Interviews als ihre beste gemeinsame Arbeit. Den Song kannst Du auf YouTube hier anhören.
The group at Zuma Beach, July 1967 – Carl Wilson, Al Jardine, Brian Wilson, Mike Love and Dennis Wilson -Press photo of the Beach Boys -Capitol Records via wikipedia – public domain
Der Groove
Es sind die einfachen Schlagfolgen, denen Individualität und Seele erst mittels Akzenten, Auswahl der Klänge und des passenden Tempos eingehaucht wird. Markant ist der Einsatz der Bassdrum der 2-taktigen Figur auf den Zählzeiten Drei.
Die rhythmische Figur des Schlagzeug-Intros „Do It Again“ im Notenbild
Tontechnischer Effekt der Bass- und Snare-Drum
Im Intro sind die Beats mit einem merkwürdigen gleichmäßigen druckvollem Knarzen zu hören. So ist der Song schon nach einem halben Takt zu erkennen und man wartet freudig auf den Einsatz der Band.
Wie ist dieser Effekt entstanden?
Häufig ist zu lesen, dass eine gewollte Übersteuerung diesen Sound verursacht hat. Zum Glück hat Tontechniker Stephen Desper den Effekt erklärt:
Einstellungen des Echos mit der kostenfreien Software „Audacity“ – Das Soundbeispiel (Audio) hat der Autor dieses Artikels mit der gezeigten Einstellung nachträglich bearbeitet.
„Während des Mixdowns kam Ingenieur Stephen Desper auf den Drum-Effekt, der am Anfang des Tracks zu hören war. Er erklärte, er habe „Philips“ in Holland beauftragt, zwei Bandverzögerungseinheiten für den Einsatz auf der Straße zu bauen (um den Live-Gesang zu verdoppeln). [Er] bewegte vier der Philips PB-Köpfe sehr nahe beieinander, so dass ein Schlagzeugschlag wiederholt wurde viermal im Abstand von etwa 10 Millisekunden und mit dem Original gemischt, um den Effekt zu erzielen, den Sie hören.“ (Zitat nach wikipedia)
Dennis Wilson als Schlagzeuger der Beach Boys
Dennis Wilson, der jüngste der drei Wilson-Brüder, wurde als Drummer nur gelegentlich im Studio zugelassen und meist durch den vielbeschäftigten Studiomusiker Hal Blaine ersetzt. „Do It Again“ aber, aufgenommen im Home-Studio von Brian Wilson, wurde mit der Unterstützung von John Guerin von Dennis Wilson getrommelt.
Musiker Dennis Wilson, der als der „wahre Beach Boy“ mehr durch sein exzessives Leben bekannt wurde, war ein Multitalent: Sänger, Songschreiber, Produzent, Pianist und eben auch Schlagzeuger. Durch seinen frühen Tod blieb es bei wenigen Solo-Veröffentlichungen. Darunter das – nicht nur von Beach Boys Fans – gelobte Album “Pacific Ocean Blue“.
Das Schlagzeugspielen lernte Dennis laut „mare“ von seinem Bruder Brian Wilson: „Brian musste mir zeigen, wie das geht. Ich hatte ja keine Ahnung.“
Dennis Wilson: Drum Solo im Stil des „Surf-Drummers“ Sandy Nelson
Dennis Wilson war ein hervorragender Live Drummer. In seiner besteten Zeit half er der Band mit seiner Musikalität und Lebenskraft zuverlässig wie der Drummer einer Big Band durch die stetig komplizierter werdenden Arrangements seines Bruders Brian.
Christian W. Eggers, 4. März 2021 (letzte Aktualisierung des Beitrags 11. März 2023: Der Artikel wurde bezüglich der Noten berichtigt und erhielt ein neues Audio-Beispiel für die Darstellung des Grooves.)